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MELDUNG/2030: Bloß nicht kämpfen und verlieren! (SB)



Billy Joe Saunders nicht im Vorprogramm "Canelos"

Billy Joe Saunders wird den WBO-Titel im Mittelgewicht nicht wie geplant am 17. September im AT&T Stadium der Dallas Cowboys in Arlington verteidigen. Dort wollten ihn die Golden Boy Promotions im Vorprogramm des Kampfs zwischen Saul "Canelo" Alvarez und Liam Smith plazieren, bei dem der Gürtel im Halbmittelgewicht auf dem Spiel steht. Golden Boy und Saunders' Promoter Frank Warren standen mitten in den Verhandlungen über eine Vereinbarung, der zufolge das Debüt von Billy Joe Saunders in den USA die Voraussetzung eines Kampfs gegen Alvarez im Dezember sein sollte. Da "Canelo" gegenwärtig der größte Publikumsmagnet der Branche ist und Saunders damit eine hochdotierte Übertragung bei HBO im Pay-TV sicher gewesen wäre, mutet die überraschende Absage zunächst um so erstaunlicher an.

Wie der Vizepräsident der Golden Boy Promotions, Eric Gomez, dazu mitteilt, ist das Scheitern dieser Pläne darauf zurückzuführen, daß Saunders alle vorgeschlagenen Gegner abgelehnt hat. Weder Gabriel Rosado noch Curtis Stevens oder Willie Monroe, die alle drei gegen Gennadi Golowkin vorzeitig verloren haben, war dem in 23 Auftritten ungeschlagenen Briten genehm. Zwangsläufig erinnert man sich in diesem Zusammenhang daran, daß Saunders den Kasachen Anfang des Jahres herausgefordert hat. Als ihm dessen Lager jedoch die bislang höchste Börse seiner Karriere für einen Kampf im April anbot, machte er plötzlich einen Rückzieher.

Im ersten Schritt hatte man bei Golden Boy an Gabriel Rosado gedacht, der 23 Kämpfe gewonnen und neun verloren hat. Der in Philadelphia lebende Boxer ist beim Publikum beliebt, da er stets für ein spannendes Gefecht sorgt. Er war mit dem Angebot einverstanden und unterzeichnete den Vertrag, doch Saunders lehnte ab, obgleich er der Favorit in diesem Kampf gewesen wäre. Dabei hat Rosado zwar seine letzten beiden Auftritte gewonnen, zuvor aber vier verloren. Wie er gehört habe, wünsche sich der Brite einen leichteren Gegner. Der WBO-Weltmeister gebärde sich wie ein Feigling, so Gabriel Rosado.

Seit seinem knappen Punktsieg gegen den Iren Andy Lee am 19. Dezember 2015, durch den er Weltmeister geworden ist, hat Saunders nicht mehr im Ring gestanden. Angesichts der heftigen Kritik, der er sich nun ausgesetzt sieht, erwiderte er in den sozialen Medien, man dürfe nicht alles glauben, was an Behauptungen in die Welt gesetzt wird. Sein nächster Auftritt werde nicht lange auf sich warten lassen.

Eric Gomez, der eigenen Angaben zufolge in den Gesprächen mit Frank Warren schon sehr weit vorangekommen war, ist der Auffassung, daß man Saunders angemessene Gegner vorgeschlagen hat. Es wäre schön gewesen, den Briten zusammen mit "Canelo" am selben Abend zu präsentieren und damit einen Kampf zwischen den beiden vorzubereiten. Wenngleich Saunders am 17. September definitiv nicht mit von der Partie sein werde, habe man die Tür noch nicht ganz geschlossen. Allerdings sei ungewiß, was der Brite eigentlich vorhabe, da nun diese große Chance ungenutzt verstrichen sei. Jetzt sucht man bei Golden Boy nach einer Alternative zur Aufwertung des Vorprogramms, was in der Kürze der Zeit nicht einfach sein dürfte. [1]

Ganz und gar erstaunlich ist die neuerliche Absage insofern nicht, als Saunders schon diverse Gelegenheiten, seinen Titel zu verteidigen, vorüberziehen ließ. Daß er bei dem Gedanken an Gennadi Golowkin kalte Füße bekommen hat, ist durchaus nachzuvollziehen. Sollten ihm jedoch Gabriel Rosado, Curtis Stevens und Willie Monroe ebenfalls zu gefährlich sein, stellt sich schon die Frage, wie leicht er es als Weltmeister noch haben will. Sollte ihm indessen die angebotene Börse zu niedrig gewesen sein, so war davon jedenfalls bislang keine Rede.

Des Rätsels Lösung könnte sein, daß Saunders in der Hoffnung auf einen Kampf gegen Saul Alvarez im Dezember absolut kein Risiko eingehen will, vorher seinen Titel zu verlieren und damit aus dem Rennen zu sein. Wenngleich es um seine Chancen gegen "Canelo" schlecht bestellt wäre, könnte er doch auf einen Schlag soviel Geld verdienen, wie nie zuvor und möglicherweise auch nie wieder in seiner Karriere. Und selbst im Falle einer achtbaren Niederlage wäre ihm eine Aufmerksamkeit gewiß, aus der er noch Kapital schlagen könnte.

Wenngleich Rosado, Stevens und Monroe nicht mehr allererste Wahl sind, fehlt es ihnen doch nicht an Zähigkeit, Schlagwirkung und Erfahrung, um Saunders in Bedrängnis zu bringen. Der Brite ist sechs Runden lang ein guter Mittelgewichtler, doch geht ihm in der zweiten Hälfte des Kampfs regelmäßig die Luft aus. Dies zeigte sich bei seinen Siegen gegen Chris Eubank jun. und Andy Lee, denen er sich in zunehmendem Maße durch beständige Fluchtmanöver entziehen mußte, um nicht am Ende den kürzeren zu ziehen. Lee machte bei seinem Titelverlust den Fehler, Saunders nicht energisch den Weg abzuschneiden, als dieser sich Runde für Runde aus dem Staub machte. Rosado, Stevens und Monroe mögen ihre jeweils eigenen Schwächen haben, doch Konditionsprobleme zählen nicht dazu.

Für Saul Alvarez wäre Billy Joe Saunders nach Liam Smith die zweite vergleichsweise leichte Beute, die sich in beiden Fällen mit dem Titelgewinn rechtfertigen ließe. "Canelo" verfügt zwar über die Hausmacht einer riesigen mexikanischen Fangemeinde, deren absoluter Favorit er seit langem ist, sieht sich aber wachsender Kritik ausgesetzt, den stärksten Rivalen wie insbesondere Gennadi Golowkin aus dem Weg zu gehen. So legte der Mexikaner lieber den WBC-Titel im Mittelgewicht nieder, als endlich gegen den Kasachen anzutreten, der bei diesem Verband schon geraume Zeit Pflichtherausforderer war.

Zweimal nacheinander gegen Briten anzutreten, die in den USA kaum jemand kennt, wäre selbst für Alvarez ein riskantes Unterfangen, das mit gravierenden Einbußen im Bezahlfernsehen verbunden sein könnte. Deshalb sahen die Pläne vor, Saunders dem Publikum im September mit einem Auftritt im Vorprogramm bekannt zu machen, wofür ein halbwegs anspruchsvoller Herausforderer erforderlich war. Andererseits ist der Brite nur mit einem Gürtel von Wert für "Canelo", so daß es angesichts einander widersprechender Maßgaben zu einem Dilemma kam, dem sich Saunders wieder einmal dadurch entzieht, daß er dem Ring fernbleibt. Nicht zu kämpfen, heißt zumindest nicht zu verlieren und damit die Hoffnung auf einen wundersamen großen Zahltag am Leben zu halten. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17297018/billy-joe-saunders-canelo-alvarez-undercard-rejecting-all-possible-opponents

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/saunders-wont-fighting-canelo-vs-smith-card/#more-214784

16. August 2016


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