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MELDUNG/1963: Da kommt Langeweile auf ... (SB)



Erislandy Lara gewinnt die Revanche gegen Vanes Martirosyan

Der in Houston lebende Kubaner Erislandy Lara gehört zu den technisch versiertesten, doch zugleich langweiligsten Akteuren der gesamten Branche. Wenngleich Experten seine Kunstfertigkeit, den Gegner zwölf Runden lang auszumanövrieren, durchaus zu schätzen wissen, findet das breitere Boxpublikum wenig Gefallen an seinen zumeist ereignisarmen Auftritten ohne regelrechten Schlagabtausch. Er hat die Kampfesweise perfektioniert, sich wahlweise durch fortgesetzte Bewegung zu entziehen oder sofort zu klammern und mit schnellen Einzeltreffern zu punkten, was nur einer Minderheit der Zuschauerschaft gefällt.

Als Erislandy Lara und Vanes Martirosyan im November 2012 zu einem Ausscheidungskampf aufeinandertrafen, lieferten sie einander ein für das Gros des Publikums schwer zu ertragendes Gefecht ohne Höhepunkte, doch voller Regelwidrigkeiten, das mit einem technischen Unentschieden in der neunten Runde überdies noch unerfreulich endete. Martirosyan hatte bei einem Zusammenstoß mit den Köpfen eine böse Rißwunde über dem linken Auge davongetragen, die eine Fortsetzung des Kampfes ausschloß. Auch die Revanche, die nun in Las Vegas über die Bühne ging, war recht ereignisarm und von einer Vielzahl unsauberer Aktionen geprägt.

Diesmal setzte sich der 33jährige Lara einstimmig nach Punkten gegen den drei Jahre jüngeren Martirosyan durch (115:112, 116:111, 116:111) und verteidigte damit den WBA-Titel im Halbmittelgewicht zum vierten Mal erfolgreich. Während für den Kubaner damit 23 Siege, zwei Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche stehen, hat der im kalifornischen Glendale lebende Armenier 36 Auftritte gewonnen, drei verloren und einen unentschieden abgeschlossen. Da Martirosyan in der jüngeren Vergangenheit gegen Jermell Charlo und Demetrius Andrade verloren hatte, gehörte er längst nicht mehr zu den führenden Akteuren seiner Gewichtsklasse und wurde in der WBC-Rangliste erst an Nummer 15 geführt. Daher war der Rückkampf zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine attraktive Option, da man Lara lieber mit hochklassigen Gegnern wie Austin Trout, den Brüdern Jermall und Jermell Charlo oder Demetrius Andrade im Ring gesehen hätte. [1]

Bereits in der zweiten Runde stießen die Kontrahenten mit den Köpfen zusammen, was sich später noch mehrfach wiederholen sollte. Da Lara in der Rechtsauslage und Martirosyan auf orthodoxe Weise boxt, ist die Gefahr solcher Vorfälle generell größer als bei Stilen, die besser zueinander passen. Im vierten Durchgang trug der Kubaner bei einem solchen Zusammenstoß eine Verletzung an der Stirn davon, und bald darauf begann seine linke Augenpartie in Folge weiterer mehr oder minder unabsichtlicher Kopfstöße anzuschwellen.

Der Titelverteidiger blieb wesentlich häufiger als bei ihm üblich in Reichweite des Gegners stehen und brachte des öfteren solide Kombinationen und linke Geraden ins Ziel. Martirosyan verlegte sich vor allem auf Schläge zum Körper, wobei er auch mit einem ansehnlichen Uppercut und linken Haken aufwarten konnte. Der Armenier machte immer dann eine gute Figur, wenn er energisch auf Körpertreffer setzte, was ihm insbesondere in der sechsten Runde erfolgreich gelang. Insgesamt gesehen wartete er jedoch zu lange ab und hielt Abstand, worauf ihm Lara fast nach Belieben einzelne Schläge versetzen konnte.

In den letzten vier Runden bewegte sich der Kubaner wesentlich mehr als zuvor, um weitere Körpertreffer zu vermeiden. Ringrichter Vic Drakulich zog Martirosyan im elften Durchgang wegen eines vermeintlichen Tiefschlags einen Punkt ab, doch zeigte die Zeitlupe, daß es sich um einen regelkonformen Treffer gehandelt hatte. Diese Fehlentscheidung kam Lara zugute, der in dieser Phase in Schwierigkeiten geraten war. Die zwölfte Runde war schließlich die einzig spannende im gesamten Kampf, da der Armenier nun alles auf eine Karte setzte und dem Weltmeister etliche Treffer verpaßte. Lara wußte jedoch, daß er nach Punkten nicht mehr einzuholen war, und tanzte auf angeberische Weise im Ring umher, als könne ihm dieser Gegner keinesfalls das Wasser reichen.

Im Anschluß erklärte Erislandy Lara, daß sich Kopfstöße und Tiefschläge nie ausschließen ließen, da man beim Boxen und nicht beim Baseball sei. Er halte sich jedenfalls für einen sehr intelligenten Boxer und sei zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gewesen, diesen Kampf zu verlieren. Martirosyan beklagte die Fehlentscheidung des Referees wie auch den Umstand, daß er als Herausforderer von vornherein mehr als der Titelverteidiger zeigen mußte, um von den Punktrichtern angemessen wahrgenommen zu werden. Er habe Lara den ganzen Abend gejagt und seines Erachtens genug getan, um den Sieg davonzutragen. Der Armenier war 2013 in seinem ersten Titelkampf knapp an Demetrius Andrade gescheitert und dürfte nach diesem erneuten Rückschlag so schnell keine dritte Chance mehr bekommen. [2]

Erislandy Lara hatte kürzlich einen Kampf gegen Gennadi Golowkin ins Gespräch gebracht, der mehrere Titel im Mittelgewicht in seinem Besitz hat. Nach seinem jüngsten Erfolg in Las Vegas nannte der Kubaner Saul "Canelo" Alvarez als weiteren Wunschgegner, dem er 2014 knapp nach Punkten unterlegen war. Daß es zu dieser Revanche kommt, ist jedoch sehr unwahrscheinlich, da Lara schlichtweg nicht publikumsfreundlich boxt und keine große Fangemeinde aufbieten kann. Dasselbe dürfte wohl auch im Falle Golowkins gelten, dessen Popularität aufgrund seiner beeindruckend offensiven Kampfesweise rasant wächst. Angesichts des Tauwetters in den Beziehungen zwischen den USA und Kuba ist nicht auszuschließen, daß Lara eines Tages sogar in seiner alten Heimat auftritt, wo seine Mutter und seine Kinder nach wie vor leben. Wenngleich er betont, daß ihm ein Kampf auf der Insel große Freude bereiten würde, ist doch fraglich, ob seine Landsleute so schnell vergessen haben, daß er auf ihre Kosten zu einem erstklassigen Amateurboxer ausgebildet wurde, um diese Qualitäten dann in den USA zu eigenen Gunsten zu versilbern.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/05/lara-defeats-martirosyan-rematch/#more-210555

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15655127/erislandy-lara-defeats-vanes-martirosyan-unanimous-decision

25. Mai 2016


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