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MELDUNG/1871: Weihnachtsgrüße an den Widersacher (SB)



Deontay Wilder sendet Artur Szpilka eine Botschaft

Deontay Wilder hat seinen nächsten Gegner Artur Szpilka mit einem Weihnachtsgruß bedacht, in dem er ihm als verspätetes Geschenk eine Tracht Prügel in Aussicht stellt. Wenn der in 35 Kämpfen ungeschlagene WBC-Weltmeister aus Tuscaloosa in Alabama am 16. Januar im Barclays Center in Brooklyn auf den Polen trifft, wird der Herausforderer eine gehörige Portion Glück brauchen, soll dieses Gefecht zumindest phasenweise nicht allzu einseitig verlaufen. Der Kampf im Rahmen des Formats "Showtime Championship Boxing" ist aus Sicht des favorisierten 30jährigen Weltmeister eine bloße Zwischenetappe vor anspruchsvolleren Aufgaben, die ihn im neuen Jahr erwarten. Für den vier Jahre jüngeren Szpilka, der 20 Auftritte gewonnen und einen verloren hat, wird es vor allem darum gehen, sich achtbar aus der Affäre zu ziehen und so die absehbare Niederlage in verbesserte künftige Karrierechancen umzumünzen.

Der 2,01 m große US-Amerikaner gilt derzeit zu Recht als führender Akteur im Schwergewicht, da er dank seiner Schnelligkeit und enormen Schlagwirkung 34 Gegner vorzeitig besiegt hat und beim Titelgewinn im Kampf gegen den außerordentlich robusten Kanadier Bermane Stiverne nicht zuletzt aufgrund einer gebrochenen Hand über volle zwölf Runden gehen mußte. Demgegenüber ist der langjährige Alleinherrscher Wladimir Klitschko offenbar nur noch ein Schatten besserer Tage, wie seine desaströse Niederlage gegen den riesigen, aber boxerisch erschreckend limitierten Tyson Fury zeigte. Wie immer die Revanche im Frühjahr 2016 ausgehen wird, dürfte aus ihr doch kein Champion als Sieger hervorgehen, der Wilder das Wasser reichen könnte.

Derzeit halten nur Deontay Wilder (WBC), Tyson Fury (WBA, WBO, IBO) und Ruslan Tschagajew (regulärer Weltmeister der WBA) Titel im Schwergewicht, wobei der in Hamburg lebende Usbeke einen zweitrangigen Gürtel in seinem Besitz hat. Die überwiegende Zahl der Experten und Fans nicht nur in den USA dürfte Wilder eindeutig die Spitzenposition zuerkennen. Der in 24 Kämpfen ungeschlagene Kubaner Luis Ortiz hat jüngst Bryant Jennings auf eindrucksvolle Weise besiegt, steht aber als Interimsweltmeister der WBA vorerst noch in den Startlöchern zum Angriff die Führungsriege.

Artur Szpilka hat im vergangenen Jahr seine bislang einzige Niederlage im Kampf gegen Jennings bezogen, der ihn buchstäblich durch den Ring prügelte und in der zehnten Runde besiegte. Er hat die Chance, sich mit Wilder zu messen, nur deswegen bekommen, weil er seine letzten vier Kämpfe gegen Yasmany Consuegra, Miguel Quezada, Ty Cobb und Tomasz Adamek für sich entscheiden konnte. Während man die drei Erstgenannten wohl als Kanonenfutter bezeichnen kann, war sein Landsmann eine feine Trophäe für Szpilka. Der 39jährige Adamek gehört nach wie vor zum Kreis jener Kandidaten, die es zwar nicht mehr zum Weltmeister bringen werden, aber dennoch nicht leicht zu besiegen sind.

Für Wilder steht nach dem fest eingeplanten Erfolg gegen Szpilka der wesentlich bedeutendere Kampf gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin an, der im ersten Quartal 2016 über die Bühne gehen soll. Noch ist allerdings ungewiß, ob der Verband WBC seinen Champion zwingen wird, sich dieser Aufgabe zuerst zu stellen, bevor er darangehen kann, mit dem Sieger der Revanche zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko in den Ring zu steigen. Wesentlich interessanter für die Branche und das Publikum wäre wohl die zweite Option, zumal nicht abzusehen ist, wie lange sich die Verhandlungen und Planungen mit Powetkin hinziehen werden. Im ungünstigsten Fall würde es erst 2017 zum Duell der Sieger aus den beiden Kämpfen kommen.

Galt vor der Niederlage Klitschkos ein Kampf des Ukrainers gegen Wilder als die hochkarätigste Aussicht, die Frage der Vorherrschaft im Schwergewicht auf attraktive Weise zu klären, so hat der überraschende Erfolg Furys diese Perspektive nicht grundsätzlich obsolet gemacht. Wenngleich es dem 2,06 m großen Briten dank seiner körperlichen Vorteile gelang, die Schwächen des Ukrainers recht geschickt offenzulegen und auszunutzen, war sein Sieg doch unter dem Strich kein Zugewinn für die Königsklasse. Sollte Wladimir Klitschko im Rückkampf beherzter zur Sache gehen und entschlossen angreifen, könnte die Regentschaft des Briten schon wieder beendet sein, kaum daß sie begonnen hat. Da der Ukrainer jedoch bald 40 Jahre alt wird und den Zenit seines Könnens überschritten hat, wäre es einem Duell mit Wilder sicher abträglich, fände dieses erst 2017 statt.

Szpilka kann eine beachtliche Schlagwirkung entfalten und hat drei seiner letzten vier Gegner vorzeitig besiegt. Er muß jedoch wesentlich besser als gegen Jennings kämpfen, will er Wilder auch nur halbwegs Paroli bieten und sich als Prüfstein des Weltmeisters profilieren. Indessen liegt diese Niederlage ein Jahr zurück, worauf der Pole dazugelernt und sich weiterentwickelt hat. Um Wilders Reichweite und Beweglichkeit zu kompensieren, muß sich Szpilka jedoch etwas einfallen lassen und insbesondere agiler zu Werke gehen als in der Vergangenheit, da er andernfalls den schnellen und wuchtigen Schlägen des Favoriten hilflos ausgeliefert ist. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/12/deontay-wilder-christmas-greetings-artur-szpilka/#more-203621

27. Dezember 2015


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