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MELDUNG/1859: Es geht um alles oder nichts (SB)



Robert Guerrero und Danny Garcia am Scheideweg

Robert Guerrero wird in der aktuellen WBC-Rangliste im Weltergewicht an Nummer sechs geführt, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß er im Falle einer Niederlage in seinem nächsten Kampf endgültig auf dem absteigenden Ast wäre. Er bekommt es am 23. Januar im Staples Center in Los Angeles mit Danny Garcia zu tun, der als Favorit in den Ring steigen wird. Das für beide Akteure wegweisende Duell wird im Rahmen des Formats Premier Boxing Champions vom Sender Fox Deportes ausgestrahlt, der für ein spanischsprachiges Publikum überträgt.

Während für Guerrero 33 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, ist Garcia in 31 Kämpfen ungeschlagen. Trotz dieser makellosen Bilanz zieht der bislang protegierte Favorit nur dem Schein nach unangefochten seine Kreise, da er seinerseits seit geraumer Zeit restlos überzeugende Auftritte vermissen läßt. Deshalb steht für beide Kontrahenten derart viel auf dem Spiel, daß sie keinesfalls verlieren dürfen und sich aller Voraussicht nach ein erbittertes Gefecht liefern werden.

Der 33 Jahre alte Robert Guerrero hat seinem Kampfnamen "The Ghost" in jüngerer Zeit keine Ehre gemacht und in den letzten beiden Jahren zwei von vier Kämpfen verloren. Zudem sind nicht wenige Experten und Fans der Auffassung, daß ihm die Punktrichter bei seinem knappen Sieg gegen den überraschend starken Aaron Martinez im Juni ein unverdientes Geschenk gemacht haben. Guerrero landete dabei einmal auf den Brettern und konnte sich nach den zehn ausgetragenen Runden glücklich schätzen, mehr schlecht als recht die Oberhand behalten zu haben.

Natürlich könnte er im Falle einer Niederlage gegen Garcia ähnlich wie der New Yorker Weltergewichtler Paulie Malignaggi der Branche noch einige Jahre als ein ehemals erfolgreicher Boxer erhalten bleiben, der nach wie vor Sympathien bei seinem heimischen Publikum auf den Plan ruft und einige halbwegs attraktive Auftritte bekommt. Daß dabei Guerreros Ruf weiter Schaden nehmen und seine Börsen schrumpfen würden, steht aber außer Frage.

Wie der Außenseiter trotzig erklärt, hätten ihn viele Leute bereits abgeschrieben. Er werde jedoch erstklassig vorbereitet und in Bestform antreten, um am 23. Januar den Sieg davonzutragen. Wenngleich es sich um einen bedeutenden Kampf handle, gehe es doch für ihn keineswegs um alles oder nichts. Die Fans liebten Kämpfer wie ihn, und wie man in seinem Duell mit Keith Thurman gesehen habe, gebe er im Ring alles. Wenngleich man natürlich nachvollziehen kann, daß Guerrero seine derzeitige Situation rosiger darzustellen versucht, als sie tatsächlich ist, muß man ihm doch im entscheidenden Punkt widersprechen: Er steht zweifellos mit dem Rücken an der Wand und hat zumindest dann eine endgültige Weichenstellung passiert, sollte Garcia die Oberhand behalten.

Was seine Lage noch verschärft ist der Umstand, daß er im Falle eines engen Kampfverlaufs gegen Danny Garcia nicht gewinnen kann. Dieser wird noch immer hoch gehandelt und von vielen Seiten favorisiert, so daß er im Zweifelsfall einen Punktsieg geschenkt bekommen dürfte. Um diesen Kampf zu gewinnen, müßte Guerrero den prominenteren Gegner wohl schon mehrmals niederschlagen oder sogar vorzeitig bezwingen. Auf das Kampfgericht kann er sich jedenfalls nicht verlassen, sofern er nicht zumindest über weite Strecken klar dominiert.

Für den noch immer ungeschlagenen Danny Garcia sieht die Lage nicht ganz so brenzlig wie für seinen Widersacher aus. Er war früher Weltmeister zweier Verbände im Halbweltergewicht, bis es dort nicht nur wegen seiner zunehmenden Gewichtsprobleme zu eng für ihn wurde, weshalb ihn sein Berater Al Haymon ins Weltergewicht lotste. Dort besiegte er zunächst den körperlich unterlegenen Leichtgewichtler Rod Salka und setzte sich in der Folge nur umstritten gegen Lamont Peterson durch.

Anfang August 2015 traf er dann in New York auf Paulie Malignaggi, der einst Champion in zwei Gewichtsklassen gewesen war, jedoch an diesem Abend wie ein gealterter Boxer wirkte, der im Ring nur noch zu überleben versucht. Garcia konnte durch die Schläge des Gegners auf ihn losmarschieren, als spüre er sie überhaupt nicht. Der New Yorker hatte zwei seiner letzten vier Kämpfe verloren und war kein ernsthafter Prüfstein für seinen ungeschlagenen Gegner, der sich in der neunten Runde durchsetzte. Sollte Garcia allerdings endlich anfangen, sich auch in dieser Gewichtsklasse mit hochkarätigen Gegnern zu messen, dürfte es mit seiner weißen Weste bald vorbei sein.

Ein Sieg über Guerrero, der längst nicht mehr zu den führenden Akteuren in diesem Limit gehört, ist für Garcia daher Pflicht, was den Außenseiter jedoch nicht an der zuversichtlichen Ankündigung hindert, er werde seinen Vorteil aus dieser Gelegenheit ziehen und den ersten Schritt zur Rückkehr an die Spitze bewältigen. Daß es Robert Guerrero selbst im eher unwahrscheinlichen Fall einer Sieges über Garcia noch einmal bis in Reichweite eines Titels schafft, kann man nahezu ausschließen. Das stark besetzte Weltergewicht ist von Akteuren wie Timothy Bradley, Shawn Porter, Amir Khan, Kell Brook oder Errol Spence bevölkert, die eine Nummer zu groß für ihn sein düften. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/12/robert-guerrero-doesnt-see-his-fight-against-danny-garcia-as-last-chance/#more-203062

12. Dezember 2015


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