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MELDUNG/1799: Kein Schritt aus dem Limbus (SB)



Eddie Chambers fertigt überforderten Galen Brown ab

Der US-amerikanische Schwergewichtler Eddie Chambers hat in Atlantic City seinen Landsmann Galen Brown in der dritten Runde besiegt. Der sichtlich überforderte Aufbaugegner mußte im zweiten Durchgang nach einer Rechten zum Kopf erstmals in diesem Kampf zu Boden gehen. In der folgenden Runde setzte der Favorit energisch nach und schickte den Kontrahenten mit einem wuchtigen Treffer in die Seile. Wenngleich Brown zwar nach unten rutschte, aber den Boden nicht mit Knie oder Hand berührte, wurde diese Aktion als Niederschlag gewertet. Das spielte indessen keine Rolle mehr, da der Außenseiter nach einem weiteren Volltreffer niederfiel und von Mary Glover nach 1:34 Minuten der dritten Runde ausgezählt wurde.

Damit verbesserte der 33jährige Chambers seine Bilanz auf 42 gewonnene und vier verlorene Kämpfe, wobei er nun sechs Auftritte in Folge zu seinen Gunsten entschieden hat. Für den ein Jahr älteren Galen Brown werden jetzt 42 Siege, 32 Niederlagen sowie ein Unentschieden notiert. Der 1,85 m große Eddie Chambers brachte vor diesem Kampf mit 104 kg das höchste Gewicht seiner 15 Jahre währenden Profilaufbahn auf die Waage, nachdem er in der Vergangenheit durchweg im Bereich zwischen 93 und 99 kg angetreten war.

Chambers war seit jeher für einen Schwergewichtler sehr leicht und bekam zunehmend Probleme mit einer Konkurrenz, die ihm physisch über den Kopf wuchs und ihn mit entsprechenden Gewichtsvorteilen konfrontierte. Ragten vor Jahren die Brüder Klitschko mit einer Größe um die zwei Meter mehr oder minder allein auf weiter Flur empor, so bevölkert inzwischen wohl ein Dutzend Boxer von einem solchen Gardemaß die oberen Ränge des Schwergewichts. Das macht die Sache zusehends aussichtslos für Chambers, der in der Vergangenheit dank seiner technischen Vorteile und insbesondere einer ausgeprägten Schnelligkeit manchem Riesen das Nachsehen gab. Zum einen trifft man heute hochgewachsene Akteure wie den 2,01 m großen WBC-Weltmeister Deontay Wilder an, der sowohl wegen seiner Schnelligkeit als auch seiner verheerenden Schlagwirkung gefürchtet ist. Zum anderen wird Chambers natürlich nicht jünger, was auf Kosten seiner Beweglichkeit geht. Ob er sich von dem für seine Verhältnisse ungewöhnlich hohen Kampfgewicht wie aktuell im Duell mit Galen Brown Vorteile verspricht oder lediglich nicht optimal vorbereitet war und künftig wieder leichter antreten wird, ist ungewiß.

Eddie Chambers konnte auf eine lange Siegesserie zurückblicken, als er 2008 im Kampf gegen den Russen Alexander Powetkin seine erste Niederlage nach Punkten bezog. Er meldete sich erfolgreich zurück und setzte sich 2009 gegen den riesigen Alexander Dimitrenko und den gefährlich schlagenden Samuel Peter durch, was seine Zugehörigkeit zur damaligen Spitzenklasse im Schwergewicht unterstrich. Dies bescherte ihm 2010 einen Titelkampf gegen Wladimir Klitschko, dem er jedoch nicht gewachsen war. Klitschkos damaliger Trainer Emanuel Steward forderte seinen Schützling in der zwölften Runde zu einem Niederschlag auf, worauf der Weltmeister vor allem mit dem linken Haken immer wieder nach Chambers schlug, der ihn jedoch auch in dieser Phase ins Leere laufen ließ. Fast hätte der Herausforderer den Schlußgong erreicht, als ihn fünf Sekunden vor Ende der letzten Runde doch noch ein Volltreffer Klitschkos auf die Bretter schickte.

Diese Niederlage zeigte unmißverständlich, daß Eddie Chambers nie an den damals noch gemeinsam regierenden Klitschkos vorbeikommen würde. Das galt allerdings auch für das übrige Kandidatenfeld, in dem sich der US-Amerikaner noch immer gute Chancen und Einkünfte ausrechnen konnte. Im Jahr 2012 traf er in Newark auf den in New Jersey lebenden Polen Tomasz Adamek, der früher Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht gewesen war.

Auch Adamek fehlten im Grunde die physischen Voraussetzungen, um sich dauerhaft im Schwergewicht zu etablieren. Ähnlich wie Chambers kompensierte er diesen Nachteil durch eine hervorragende Technik, so daß er 2011 nach der Niederlage des Briten David Haye gegen Wladimir Klitschko als bester Kandidat hinter dem ukrainischen Brüderpaar gehandelt wurde. Dies brachte Adamek einen Titelkampf gegen Vitali Klitschko ein, der im September vor 43.500 Zuschauern in Wroclaw (Breslau) über die Bühne ging. Im neuerrichteten Fußballstadion Miejski dominierte der WBC-Weltmeister in einem einseitigen Kampf fast ausnahmslos das Geschehen im Ring und ließ dem Herausforderer keine Chance, der sich in der elften Runde geschlagen geben mußte.

Was den Kampf zwischen Eddie Chambers und Tomasz Adamek besonders reizvoll machte, war ihre durchaus ähnliche Ausgangslage. Beide galten als zu leichte, aber dafür technisch versierte Schwergewichtler, beide hatten gegen einen der Klitschkos verloren, beiden war klar, daß sie wohl nie mehr Weltmeister in der Königsklasse werden konnten. Da die Szene zu diesem Zeitpunkt noch immer stagnierte, schien dem Sieger des Kampfs in New Jersey zumindest die Aussicht zu winken, sich hinter den beiden unerreichbaren Weltmeistern gewissermaßen als deren Torwächter zu etablieren.

Chambers zog sich in diesem Kampf jedoch eine Verletzung zu, die ihn zwang, weite Strecken mit einem gesunden Arm zu boxen und den anderen möglichst nicht einzusetzen. Dennoch erzielte er die klareren Treffer, während sich Adamek durch eine höhere, aber weitgehend wirkungslose Schlagfrequenz auszeichnete. Am Ende waren die Meinungen geteilt, wer von beiden den Sieg verdient hätte, wobei wohl die Mehrzahl der Experten Chambers den Zuschlag gab. Um so erstaunlicher fiel das klare Urteil zugunsten Adameks aus, der mit 116:112, 116:112 und 119:109 die Oberhand behielt, wobei vor allem die letzte Wertung des Punktrichters Alan Rubenstein eine krasse Fehlentscheidung war. Offenbar hatte Tomasz Adamek, der schon häufig in Newark aufgetreten war, einen massiven Heimvorteil auf seiner Seite gehabt.

Eddie Chambers zog aus dieser Niederlage die Konsequenz, sein Heil im Cruisergewicht zu suchen, wo er auf schnellstem Weg Weltmeister zu werden hoffte. Noch im selben Jahr 2012 reduzierte er sein Gewicht und trat gegen Thabiso Mchunu an, der seine Eintrittskarte für einen Titelkampf zu sein schien. Obgleich klar favorisiert, hatte Chambers die Rechnung ohne die Folgen seines raschen Gewichtsverlusts gemacht, der seine Substanz und Kondition sichtlich schwächte. Zudem bot ihm der bewegliche und beherzt angreifende Mchunu einen hervorragenden Kampf, wofür er mit einem einstimmigen Punktsieg belohnt wurde. [1]

Mit der deprimierenden Aussicht vor Augen, sich nach dieser unverhofften Niederlage auch im Cruisergewicht hinten anstellen zu müssen, kehrte Chambers nach diesem Abstecher wieder ins Schwergewicht zurück. Dort trat er seither ausschließlich gegen nicht allzu gefährliche Aufbaugegner an, die er mehr oder minder problemlos besiegen konnte. Diese Strategie ist insofern nachvollziehbar, als sich der US-Amerikaner auf diese Weise in den Ranglisten langsam wieder nach vorne boxt. Da er sich seit bald drei Jahren nur noch mit schwacher Konkurrenz abgegeben hat, wird es allerdings Zeit, noch einmal einen Schritt aus dem Limbus zu wagen und sein Können gegen namhafte Rivalen unter Beweis zu stellen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/kauffman-defeats-mendoza-chambers-destroys-brown/#more-199315

20. September 2015


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