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MELDUNG/1789: Rehabilitierung gelungen (SB)



Anthony Dirrell glänzt gegen Marco Antonio Rubio

Anthony Dirrell, der den WBC-Titel im Supermittelgewicht überraschend an Badou Jack verloren hatte, unterstrich mit einer glänzenden Leistung im Kampf gegen Marco Antonio Rubio, daß wieder mit ihm zu rechnen ist. Er setzte sich im texanischen Corpus Christi mit einem souveränen Auftritt über zehn Runden einstimmig nach Punkten durch (100:90, 100:90, 100:90). Während sich der 30jährige US-Amerikaner damit auf 28 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden verbesserte, stehen für den fünf Jahre älteren Mexikaner nun 59 gewonnene und acht verlorene Kämpfe sowie ein unentschieden gewertetes Duell zu Buche.

Wer die Veranstaltung im Rahmen des Formats "Premier Boxing Champions" vor Ort oder beim Sender CBS verfolgte, konnte miterleben, wie Dirrell gleich in der ersten Runde über seinen Gegner herfiel und ihn schwer in Bedrängnis brachte. Nachdem eine Rechte bei dem Mexikaner eingeschlagen war, die ihn sichtlich in Mitleidenschaft zog, mußte er einen Hagel weiterer Schläge überstehen, was ihm nur mit Mühe gelang. Wie sich zeigen sollte, war dies für Rubio der schlimmste Durchgang des gesamten Kampfs.

Er mußte allerdings auch in der Folge noch eine Menge einstecken, da ihn der ehemalige Champion immer wieder mit wuchtigen Einzeltreffern traktierte. Wie schon in der Vergangenheit schlug Dirrell auch diesmal nicht allzu viele Kombinationen, obwohl diese dem Mexikaner die größten Probleme bereiteten. Wäre der US-Amerikaner in der Lage gewesen, häufiger eine präzise Abfolge von Schlägen ins Ziel zu bringen, hätte Rubio trotz seiner bemerkenswerten Nehmerqualitäten vermutlich die volle Distanz nicht überstanden. Nachdem die Kontrahenten in der sechsten Runde mit den Köpfen zusammengestoßen waren, schwoll die rechte Augenpartie des US-Amerikaners an. Zwei Runden später trug er dann an dieser Stelle eine leichte Rißwunde davon, die ihn aber nicht sonderlich beeinträchtigte, geschweige denn seiner klaren Dominanz Abbruch tat. [1]

Marco Antonio Rubio war nach der Niederlage gegen Gennadi Golowkin, der ihn im Oktober 2014 bereits in der zweiten Runde geschlagen auf die Bretter geschickt hatte, eine Gewichtsklasse aufgestiegen. Er hat seit seinem letzten Auftritt sichtlich zugelegt, was ihn jedoch eher einzuschränken als zu beflügeln scheint. Vermutlich hätte jedoch auch eine etwas bessere körperliche Verfassung im Kampf gegen Dirrell keinen wesentlichen Unterschied gemacht. Der Mexikaner wäre dennoch besser beraten, ins Mittelgewicht zurückzukehren oder sogar noch tiefer zu gehen, falls er dazu in der Lage ist.

Das Problem dürfte freilich sein, daß Rubio ins höhere Limit aufgestiegen ist, weil es ihm zunehmend schwerer fiel, sein Gewicht vor dem Kampf zu reduzieren. Im Supermittelgewicht ist er jedoch allem Anschein nach schlecht aufgehoben, wie sein Kampf gegen Dirrell gezeigt hat, der seiner Gesundheit abträglich war. Runde für Runde schwere Treffer einzustecken, kann sich Rubio angesichts seiner langen Karriere weniger denn je leisten, wobei die Alternative bei Gegnern der allerersten Kategorie, die gefährliche Kombinationen schlagen und ihn damit vorzeitig besiegen können, auch nicht besser aussähe. Nach 68 Profikämpfen und der schwindenden Aussicht, womöglich doch noch ein drittes Mal um die Weltmeisterschaft zu kämpfen, sollte der Abschied vom aktiven Boxsport für den Veteranen eine ernsthafte Überlegung wert sein.

Wie Anthony Dirrell nach seinem überzeugenden Auftritt erklärte, habe er bei der Niederlage gegen Badou Jack einen regelrechten Aussetzer gehabt. Der damalige WBC-Champion aus Flint, Michigan, hatte bei seiner Titelverteidigung in Chicago am 24. April knapp nach Punkten gegen den in Las Vegas lebenden Schweden verloren. Er sei der festen Überzeugung, nun eine erneute Titelchance zu verdienen. Bis es dazu kommt, wird der US-Amerikaner wohl noch ein bis zwei Siege einfahren müssen, um an die Spitze der WBC-Rangliste aufzusteigen und damit Pflichtherausforderer zu werden. Sollte George Groves seinen Kampf gegen Badou Jack gewinnen, was nicht sehr wahrscheinlich, aber natürlich auch nicht ausgeschlossen ist, würde der Brite den neugewonnenen Titel keinesfalls freiwillig gegen Dirrell verteidigen.

Für Groves hätte sicher sein Landsmann James DeGale Vorrang, der im Besitz des IBF-Gürtels ist. Dieses spektakuläre Duell zweier britischer Weltmeister ließe sich zweifellos vor einer riesigen Kulisse im Londoner Wembley-Stadion inszenieren wie im Mai 2014 die Revanche zwischen Carl Froch und George Groves, bei der dieser erneut auf den Brettern landete. Wollte man diesen fiktiven Faden weiterspinnen, käme für Groves im Falle eines Sieges vermutlich einer seiner weiteren bekannten Landsleute wie Callum Smith, Rocky Fielding oder Frank Buglioni viel eher in Frage als Anthony Dirrell, der nicht minder verheerend zuschlagen kann wie Carl Froch. George Groves ist kein Marco Antonio Rubio, der zehn Runden lang schwere Treffer abwettern kann, sofern er nicht gerade Gennadi Golowkin gegenübersteht. Man attestiert dem Briten seit seinen beiden vorzeitigen Niederlagen ein schwaches Kinn, weshalb er durchaus Gefahr läuft, bereits von Badou Jack die nächste Lektion erteilt zu bekommen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/mcdonnell-defeats-kameda-by-controversial-decision/#more-198632

7. September 2015


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