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MELDUNG/1746: Mayweather braucht keinen Gürtel mehr (SB)



Verband WBO erkennt Floyd Mayweather den Titel ab

Wie abzusehen war, hat die World Boxing Organization (WBO) Floyd Mayweather den Titel im Weltergewicht aberkannt, den er durch seinen Sieg über Manny Pacquiao am 2. Mai in Las Vegas gewonnen hatte. Der US-Star ließ die ihm gesetzte Frist verstreichen, innerhalb deren er 200.000 Dollar Gebühr an den Verband zahlen sowie seine beiden Titel im Halbmittelgewicht niederlegen sollte. Wie er dazu lediglich anmerkte, habe er den Gürtel gar nicht bekommen und könne daher nichts zurückgeben, was nie in seinem Besitz gewesen sei. Warum die WBO darauf besteht, daß ihre Weltmeister keine Titel in weiteren Gewichtsklassen innehaben dürfen, ist nicht recht nachvollziehbar, solange sie nur ihre Gebühren einstreichen kann.

Möglicherweise bedient sich die WBO dieser Geschäftspolitik, weil die Verbände bei jedem Titelkampf in beschränktem, aber in der Summe vieler solcher Gelegenheiten durchaus lukrativem Umfang mitkassieren. Da ein Weltmeister selten mehr als zwei bis vier Kämpfe pro Jahr bestreitet, ist es für den Verband einträglicher, statt einem Champion in zwei Gewichtsklassen lieber zwei Weltmeister zu führen, die jeweils diese Anzahl von Auftritten gewährleisten.

Für gewöhnlich legt ein Boxer seine Titel nieder, wenn er in eine höhere Gewichtsklasse aufsteigt und dort um die Weltmeisterschaft kämpft. Das macht Sinn, sofern er definitiv zu schwer für sein früheres Limit ist und deswegen dort nicht gleichzeitig Champion sein kann. Im Falle Mayweathers verhält es sich anders, da er seine Titel im angestammten Weltergewicht behielt, aber einem Champion des Halbmittelgewichts die beiden Gürtel abnahm.

Wer aus diesem Sachverhalt nicht ganz schlau wird, ist auf der richtigen Spur. Die Regeln der Verbände sind dazu da, von ihnen selbst oder anderen Akteuren je nach Bedarf und insbesondere Einfluß penibel eingehalten oder aber gebrochen zu werden. Es vermischen sich scheinbar unumstößliche Grundsätze mit reiner Willkür, was Außenstehenden wie ein verfilzter Wildwuchs anmuten muß, von einflußreichen Insidern jedoch mehr oder minder virtuos zum eigenen Vorteil genutzt wird.

Wie Floyd Mayweather bereits unmittelbar nach dem Kampf gegen Pacquiao erklärt hatte, sei er nicht gierig und wolle deshalb gern jüngeren Anwärtern den WBO-Gürtel überlassen. Grundsätzlich interessierten ihn Titel nicht mehr, weshalb er in Erwägung ziehe, auch als Weltmeister der Verbände WBA und WBC im Welter- und Halbmittelgewicht zurückzutreten. Damit hatte die WBO ohnehin jede Handhabe verloren, auf ihn Einfluß zu nehmen.

Wie die Verbandsführung nun über Twitter mitteilte, habe man größten Respekt vor Floyd Mayweather und bereits Vorbereitungen getroffen, ihm den Gürtel zukommen zu lassen, den er natürlich in Anerkennung seines Sieges erhalten werde. Was die aktuelle Entscheidung betreffe, könne er innerhalb von vierzehn Tagen Einspruch bei der Widerspruchsstelle des Verbands einlegen.

Daß Mayweather darauf eingeht, ist jedoch nicht anzunehmen. Er ist derzeit vor allem damit beschäftigt, einen geeigneten Gegner für seinen Kampf am 12. September im MGM Grand in Las Vegas auszusuchen. Berücksichtigt man die erforderliche Vorbereitungsphase, bleibt nicht mehr viel Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Wenngleich er bereits zwei Namen ins Gespräch gebracht hat, geben diverse andere Kandidaten wie Amir Khan, dessen britischer Landsmann Kell Brook, Keith Thurman sowie eine Reihe weiterer Weltergewichtler die Hoffnung nicht auf, in den Genuß des denkbar spektakulärsten Kampfs und der mit Abstand höchsten Börse ihrer Karriere zu kommen. Wie immer im Vorfeld der Auftritte Mayweathers preist jeder die eigenen Vorzüge an und erklärt die Konkurrenten für irrelevant. Unterdessen beteiligen sich die Boxjournalisten mit Prognosen, Mutmaßungen und Dementis ausgiebig an der Debatte, wer es verdient oder nicht verdient habe, das große Los zu ziehen.

Da Mayweather bei seinem letzten Auftritt die Rekordsumme von 220 Millionen Dollar erzielt hat, wovon die WBO mit ihren 200.000 Dollar weniger als ein Promille abzweigen will, ist dieser Betrag als solcher für den 38jährigen Champion bedeutungslos. Wie denn auch aus seinem Umfeld verlautete, habe die Maßnahme des Verbands nicht den geringsten Einfluß auf die aktuellen Pläne und Interessen. [1]

Wie Mayweathers Umgang mit der WBO zeigt, findet eine Umwälzung der traditionellen Strukturen und Kräfteverhältnisse in der Branche statt. Der bestverdienende Star des weltweiten Showgeschäfts ist kein Rebell, der gegen das Establishment aufbegehrt, oder Robin Hood, der die Reichen beraubt, um die Beute mit den Armen zu teilen. Allerdings stellt er das klassische Prinzip der Ausbeutung im Boxsport insofern auf den Kopf, als er am Ende seiner Karriere nicht mit leeren Händen dastehen wird, sondern als reichster Sportler aller Zeiten seinen Abschied nimmt.

Er hat nicht nur eine Schneise durch den Dschungel der Manager und Promoter, Verbände und Sender geschlagen, sondern Zug um Zug seinen Einfluß ausgebaut und den der diversen anderen Konkurrenten aus dem Feld geschlagen. In gewisser Weise könnte man Mayweather als modernen Idealtypus des profitgetriebenen Unterhaltungskünstlers beschreiben, der seine Vermarktung in die eigenen Hände genommen und die Gratwanderung zum Gipfel geldwerter Vorteilsnahme wie kein anderer Boxer bewerkstelligt hat.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/mayweather-has-been-stripped-of-wbo-welterweight-title/#more-195731

8. Juli 2015


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