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MELDUNG/1690: Eintrittskarte für die Beletage der Königsklasse? (SB)



Promoter Eddie Hearn füttert Anthony Joshua mit Fallobst

Promoter Eddie Hearn hat einen passenden Gegner für Anthony Joshua gefunden. Der in elf Profikämpfen ungeschlagene 25jährige britische Schwergewichtler trifft am 9. Mai in Birmingham auf den neun Jahre älteren Raphael Zumbano Love, für den 36 Siege, zehn Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Wie die Bilanz des als Kanonenfutter verpflichteten Kontrahenten nahelegt, steht dem an Nummer sieben der WBC-Rangliste notierten Joshua in dem auf zehn Runden angesetzten Kampf ein weiterer vorzeitiger Sieg in Aussicht. Zumbano hat sechs seiner letzten elf Auftritte verloren und im vergangenen Jahr dem 43jährigen Shannon Briggs einen Gang über volle zwölf Runden abgenötigt, bis er sich klar nach Punkten geschlagen geben mußte.

Einen Aufbaugegner vorzeitig aus dem Feld zu schlagen, den Briggs nicht ausschalten konnte, wäre sicher ein Argument, das sich Joshua gern ans Revers heften möchte. Andererseits mußte Zumbano in diesem Jahr bereits gegen Charles Martin und Eric Molina früh die Segel streichen, so daß es kein Ruhmesblatt wäre, sollte dem jungen Briten dieses nicht allzu anspruchsvolle Kunststück ebenfalls gelingen.

Nachdem Anthony Joshua am 4. April mit dem 37jährigen Jason Gavern einen weiteren Veteranen auf die Bretter geschickt hatte, kündigte Eddie Hearn zum wiederholten Mal an, nun werde man Zug um Zug höherwertige Aufgaben angehen und bewältigen. Indessen läßt die Wahl Zumbanos darauf schließen, daß es der Promoter vorzieht, weiter auf Nummer Sicher zu gehen und die Bilanz seines Boxers makellos zu halten, statt ihn einem ernsthaften Risiko auszusetzen.

Gemessen an den Vorschußlorbeeren, mit denen Joshua nach seinem Olympiasieg 2012 in London überhäuft wurde, ist dies ein sehr zurückhaltender Aufbau. Daher kann man wohl davon ausgehen, daß Hearns offensive Bewerbung seines Schwergewichtlers der Imagepflege geschuldet ist, seine sachkundige Einschätzung Joshuas jedoch beträchtlich nüchterner ausfällt.

Der kommende Kampf dient nicht zuletzt der Vorbereitung auf Kevin Johnson, mit dem es Joshua am 30. Mai in der Londoner O2 Arena zu tun bekommt. Dieses Duell sollte ursprünglich bereits Anfang des Jahres über die Bühne gehen, mußte aber wegen einer Verletzung des Briten verschoben werden. Der 35jährige US-Amerikaner gilt insofern als bislang schwierigste Aufgabe auf dem Karriereweg Anthony Joshuas, als er beachtliche Defensivqualitäten aufbieten kann. Johnson hat zumindest in der Vergangenheit namhafte Akteure wie Vitali Klitschko, Tyson Fury und Dereck Chisora sehr lange beschäftigt. Allerdings mußte er sich in vier seiner letzten fünf Kämpfe geschlagen geben, so daß Joshua der Sieg sicher sein sollte.

Anthony Joshuas größtes Problem dürften derzeit nicht die Gegner, sondern vielmehr die Muskelmassen sein, die seinen Oberkörper in wachsendem Maße beladen. Wog er zu Beginn seiner Profilaufbahn im Jahr 2013 noch knapp 100 kg, so sind es inzwischen bereits gut 110 kg, die ihn sichtlich langsamer und unbeweglicher gemacht haben. Wie daraus zwangsläufig folgt, hat sich seine Schlagwirkung keineswegs verbessert, da er die Fäuste noch stärker als in der Vergangenheit aus der Schulter nach vorne schiebt und drückt. Was er sich von diesem Muskelzuwachs verspricht, bleibt daher obskur, zumal ihm diese Einschränkung zwangsläufig auf die Füße fallen wird, sobald er einem wendigen und gefährlich schlagenden Kontrahenten gegenübersteht.

Eddie Hearn weiß natürlich, daß Joshuas Goldmedaille bei den Spielen im eigenen Land eine Euphorie in der britischen Öffentlichkeit losgetreten hatte, der gegenüber die Kritik an den umstrittenen Wertungen im olympischen Boxturnier zumindest aus einheimischer Sicht in den Hintergrund trat. Ausländische Kommentatoren betonen indessen noch heute, daß die knappen Siege über den Kubaner Erislandy Savon und den Italiener Roberto Cammarelle Geschenke an den Lokalmatador waren. Wenn Joshuas Promoter daher ankündigt, man werde binnen zwölf Monaten mit Dereck Chisora, David Haye, Tyson Fury, Dillain Whyte und David Price die innerbritische Konkurrenz aufmischen, dürften diesen Worten ehe keine entsprechenden Taten folgen.

Anthony Joshua ist für Matchroom viel zu wertvoll, als daß man den mit handverlesenen Gegnern genährten Mythos, der junge Brite schicke jeden auf die Bretter und sei ein künftiger Champion, aufs Spiel setzen würde. Daher steht zu befürchten, daß Joshua in Jahresfrist noch einmal zehn Kilo zugelegt hat und sich nach wie vor an Kontrahenten vom Schlage Raphael Zumbanos und Kevin Johnsons abarbeitet, als seien dies Eintrittskarten für die Beletage der Königsklasse.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/04/anthony-joshua-vs-raphael-zumbano-love-on-may-9th/#more-191198

22. April 2015


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