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MELDUNG/1557: Einfallstor für den linken Haken (SB)




Nachlese zu Wladimir Klitschkos Sieg über Kubrat Pulew

Wladimir Klitschkos Sieg über Kubrat Pulew am letzten Samstag in der Hamburger O2 Arena mutete sehr viel leichter als erwartet an. Der Bulgare war dem Weltmeister körperlich ebenbürtig, in 20 Kämpfen ungeschlagen und in technischer Hinsicht versiert, weshalb man ihn als den gefährlichsten Herausforderer seit langem eingeschätzt hatte. Dennoch mußte er in der ersten Runde zweimal und in der dritten erneut zu Boden gehen, worauf der Ukrainer im fünften Durchgang mit einem weiteren Volltreffer den Kampf beendete. Dabei hatte sich Pulew durchaus keiner schlechten Taktik bedient, störte er doch mit einer fortwährend kreisenden Führhand die Angriffe Klitschkos und schlug beherzt zu, sobald sich ihm die Gelegenheit bot. Zwar landeten viele Schläge auf dem Hinterkopf des Titelverteidigers, was sich dieser jedoch angesichts seines häufigen Klammerns letzten Endes selbst zuzuschreiben hatte. Tatsächlich hatte der Champion beträchtliche Probleme, wie gewohnt mit dem Jab zu arbeiten und darüber auch seine Rechte ins Spiel zu bringen.

Pulews einzige ersichtliche Schwäche erwies sich jedoch frühzeitig als verhängnisvoll. Nachdem er Klitschko in der ersten Runde mehrmals getroffen hatte, revanchierte sich dieser mit einem linken Haken, der den Bulgaren augenblicklich zu Boden stürzen ließ. Wie sich in der Folge herausstellen sollte, war damit der Kampf im Grunde bereits entschieden. Wenngleich der vermeintlich zweite Niederschlag lediglich ein Schubser war, der Pulew zu Fall brachte, konnte der Herausforderer froh sein, den ersten Durchgang zu überstehen. Da der Bulgare kein Mittel gegen den linken Haken Klitschkos fand, weil er sich bei seiner eigenen Kampfesweise auf dieser Seite nur ungenügend deckte, brachte der Ukrainer diese Waffe immer wieder in Anschlag und führte damit auch die beiden nächsten Niederschläge herbei, deren letzter Pulew hingestreckt auf den Brettern landen ließ.

Glücklicherweise bestätigten sich erste Meldungen nicht, wonach der 33 Jahre alte Bulgare Brüche an Jochbein und Oberkiefer davongetragen habe. Nach Abgaben Chris Meyers von Sauerland Event hat sich Pulew nichts gebrochen und lediglich eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen. Eine Computertomographie habe keinen auffälligen Befund gezeigt. Wenngleich der Bulgare so schnell nicht wieder auf einen Gegner treffen wird, der ihn vor ähnliche Probleme wie Klitschko stellt, wäre er gut beraten, seine Deckung zu verbessern, um den Kopf zu schützen. Andernfalls liefe er auch gegen Kontrahenten wie Bermane Stiverne, Deontay Wilder oder Dereck Chisora Gefahr, sich schwere Treffer einzuhandeln. [1]

Vitali Klitschko hatte es sich nicht nehmen lassen, auch diesmal in der Ecke seines Bruders zu stehen. Er bezeichnete Wladimir als den besten Techniker im Schwergewicht, der jeden Gegner über die Distanz ausboxen könne. Im Kampf mit Pulew habe sein Bruder jedoch regelrecht unintelligent geboxt, mehr Treffer als üblich eingesteckt und viel riskiert. Dabei sei eine ganz neue Seite des Weltmeisters in Erscheinung getreten, der den Herausforderer von Beginn an kämpferisch dominiert und auf direktem Weg in die Schranken gewiesen habe.

Der frühere Schwergewichtsweltmeister Lennox Lewis zeigte sich beeindruckt angesichts der unerwarteten Dominanz Wladimir Klitschkos, wertete Pulew aber zugleich als eindimensionalen Bullen ab, gegen den der Titelverteidiger letzten Endes leichtes Spiel gehabt habe. Der Ukrainer müsse darüber nachdenken, sich mit anspruchsvolleren Herausfordern zu messen. Die Einschätzung des Briten ist jedoch kaum nachzuvollziehen, da der Bulgare sehr wohl über ausgeprägte technische Fertigkeiten verfügt, die er auch zur Anwendung brachte. Nur wenige Schwergewichtler dürfen hoffen, mit Pulew mithalten zu können. Zum anderen ist der Hinweis absurd, Klitschko solle sich stärkere Gegner aussuchen. Der Ukrainer hat gerade mit Alex Leapai und Kubrat Pulew die Pflichtherausforderer der WBO und IBF nacheinander besiegt und seit Jahren alles abgeräumt, was nachgewachsen war. Wenn Lewis meint, irgendwo da draußen liefen noch bessere Kandidaten herum, an die sich der Champion bislang nicht herangetraut habe, müßte er schon Namen nennen.

Davon abgesehen hat Klitschkos Manager Bernd Bönte gerade mitgeteilt, daß Klitschko seinen nächsten Kampf voraussichtlich im Frühjahr bestreiten werde und dabei der Sieger des Duells zwischen Bermane Stiverne und Deontay Wilder der Wunschgegner sei. Wladimir wolle unbedingt den WBC-Gürtel, den früher sein Bruder besessen habe, in die Familie zurückholen, und damit seine Sammlung komplettieren. Sollte diese Option nicht möglich sein, wäre Bryant Jennings die nächstbeste Wahl, der beim WBC bereits als kommender Pflichtherausforderer Schlange steht. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/kubrat-pulev-with-slight-concussion-after-loss-to-wladimir/#more-184490

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/11/lennox-lewis-says-wladimirs-win-over-pulev-was-easy-work/#more-184497

18. November 2014