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MELDUNG/1512: Mexikanische Feiertage hoch im Kurs (SB)




Alvarez wildert in Mayweathers Revier

Saul "Canelo" Alvarez hält nach wie vor an seinem Plan fest, im nächsten Jahr an den beiden mexikanischen Feiertagen aufzutreten, die in den USA von den Einwanderern aus dem Nachbarland und deren Nachkommen vorzugsweise begangen werden. Damit tritt der ehemalige Weltmeister der Verbände WBA und WBC im Halbmittelgewicht in direkte Konkurrenz zu Floyd Mayweather, der die beiden Termine Anfang Mai und Mitte September seit geraumer Zeit gewissen für seine Kämpfe gepachtet hat. Wenngleich Mayweather natürlich keinerlei begründbaren Anspruch darauf hat, daß niemand in dieser Hinsicht mit ihm konkurrieren darf, stellt sich doch die Frage, was Alvarez zu dieser Kampfansage bewegt und zu wessen Lasten diese Rivalität ausgehen wird.

Da die Kunden im Bezahlfernsehen bis zu 70 Dollar für die Übertragung eines dieser Kämpfe entrichten müssen, ist so gut wie ausgeschlossen, daß viele Boxfans an ein und demselben Abend die doppelte Summe aufbringen können und wollen, um bei Showtime Floyd Mayweather und bei HBO Saul Alvarez boxen zu sehen. Die Preise sind ohnehin so hoch, daß sich angesichts der dramatischen Verelendung der US-Gesellschaft das klassische Boxpublikum diesen Luxus größtenteils nicht mehr leisten kann. Folglich läuft die Konkurrenz um diese Termine zwangsläufig darauf hinaus, daß die beiden Lager einander das Wasser abgraben und gravierende Einbußen hinnehmen müssen.

Wie "Canelo" bekräftigt, sei ihm egal, wer sonst noch an diesen Terminen auftritt. Er reklamiere beide Tage für sich, weil sie für alle Mexikaner außerordentlich wichtig seien und er in seiner Karriere Geschichte schreiben wolle. Alvarez zielt also darauf ab, seine Landsleute hinter sich zu versammeln. Da die riesige hispanische Fangemeinde unverzichtbar für die Umsätze des Boxgeschäfts ist, hat er gute Aussichten, Mayweather in finanzieller Hinsicht Konkurrenz zu machen. Der US-Amerikaner könnte unter Umständen direkt kontern und seinerseits einen hispanischen Gegner als Herausforderer wählen. Jedenfalls hat er angekündigt, seine Karriere mit den Auftritten im Frühjahr und Herbst ausklingen zu lassen, wofür er zweifellos die denkbar profitabelsten Duelle sucht. Sollte der junge Mexikaner also keinen Rückzieher machen, kommt es zu einem Hauen und Stechen um die Gunst des zahlungskräftigen Publikums, das beide Seiten schwer in Mitleidenschaft zieht.

Diese Vorgehensweise würde für Alvarez nur Sinn machen, wenn er einen finanziellen Verlust der Perspektive nachordnet, sich zum Thronfolger Mayweathers zu erklären. Als solcher wurde er früher auch gehandelt, wenngleich es nicht an Kritik mangelte, er habe seine bemerkenswerte Bilanz von über 40 Siegen und einem Unentschieden gegen schwache bis mittelmäßige Gegner erwirtschaftet. Als "Canelo" im September 2013 schließlich auf Mayweather traf, setzte es eine bittere Lehrstunde für den mehr oder minder chancenlosen Nachfolgekandidaten. Diese erste und bislang einzige Niederlage des Mexikaners wurde weithin als untrüglicher Maßstab dafür gewertet, daß er nicht oder zumindest noch nicht in derselben Liga wie der Superstar boxt.

Floyd Mayweather gilt nicht nur als einkommensstärkster Sportler der Welt, sondern auch als bester Boxer aller Gewichtsklassen. Allerdings polarisiert er Experten und Fans in zwei Lager, da er sich keineswegs allgemeiner Beliebtheit erfreut. Das wiederum ist einer der maßgeblichen Gründe für seine Schlüsselstellung im zeitgenössischen Boxsport, da die Debatte um sein Können und die Wahl seiner Gegner längst den Charakter einer Hofberichterstattung angenommen hat. Nimmt er den Namen eines möglichen Kontrahenten beiläufig in den Mund, ruft das ebenso eine höchst aufgeregte Augurendebatte auf den Plan wie sein Schweigen in derselben Sache.

Saul Alvarez rennt also nicht gegen ein nationales Boxidol an, sondern nimmt die herausragende Reizfigur ins Visier, wobei ein bloßer Mediencoup nicht auszuschließen ist, mit dem sich der Mexikaner ins Gespräch bringen möchte. Sein Promoter gibt ihm dafür offenbar grünes Licht, denn wie Oscar de la Hoya über Dan Rafael von ESPN wissen ließ, habe ihm "Canelo" Marschorder für Auftritte im Mai und September 2015 gegeben. Seine Aufgabe als Promoter sei es nun, nichts unversucht zu lassen, um die Vorstellungen seines Boxers zu realisieren.

In der Gemengelage eines nach wie vor gespaltenen Boxgeschäfts in den USA ruft der Präsident der Golden Boy Promotions zur Versöhnung auf, da ein dauerhaftes Schisma der Sender und Promoter letztlich allen schade. Uneigennützig ist diese Initiative natürlich nicht, da ihn die Machtkonzentration um den Berater Al Haymon, den Sender Showtime, Floyd Mayweather und möglicherweise auch seinen früheren Partner und Geschäftsführer Richard Schaefer, der sich im Streit von ihm getrennt hat, ins Abseits zu drängen drohte. Ausgelotet ist weder die genaue Interessenlage und Rollenverteilung im neuen Gravitationszentrum der Branche, noch der exakte Stand dieses Konzentrationsprozesses, der seiner Natur nach einem Schlachtfeld mit wechselnden Offensiven und ungeklärtem Ausgang gleicht.

Saul Alvarez ist eine Trumpfkarte Oscar de Hoyas, die nicht unbedacht ausgespielt oder etwa ganz ins Belieben des Boxers gestellt wird. Der Promoter steht vor der höchst komplizierten Aufgabe, "Canelo" weder gegen übermächtige Kontrahenten zu verheizen, noch dessen Ruf mit offensichtlich handverlesenen Gegner zu schädigen. So wurde das kursierende Gerücht, Alvarez werde in seinem nächsten Kampf gegen Joshua Clottey antreten, mit niederschmetternden Kommentaren quittiert. Der Mexikaner mache sich lächerlich, wenn er tatsächlich glaube, im Kampf gegen Clottey Boxgeschichte zu schreiben. Der 36jährige tritt inzwischen so selten auf, daß viele Fans der Überzeugung sind, er habe seine Karriere bereits beendet. [1]

Um Geschichte zu schreiben, müsse man die gefährlichsten Rivalen eindeutig besiegen, hieß es unisono. Alvarez habe Austin Trout und Erislandy Lara nur umstritten geschlagen und sei klar an Floyd Mayweather gescheitert. An eine Legende wie Oscar de la Hoya, der den Mythos des hispanischen Aufstiegs im Wunderland USA wie kaum ein anderer Sportler bedient hat, reiche "Canelo" wohl nie heran, setzte es herbe Schelte. Um seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, erklärte Saul Alvarez postwendend, er würde sich gern mit Manny Pacquiao, Miguel Cotto, Gennadi Golowkin oder Julio Cesar Chavez messen. Da er weder eine eindeutige Rangfolge nannte, noch etwas Handfestes zum Stand möglicher Verhandlungen anführte, ist dieser Wunschzettel vorerst kaum mehr als eine Liste der üblichen Verdächtigen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/09/canelo-i-want-those-dates-may-sept-i-dont-care-who-fights/#more-182218

24. September 2014