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MELDUNG/1235: Rätselraten um Chisoras nächsten Gegner (SB)




Fordert der Pole Mariusz Wach den Europameister heraus?

Mag der Titel des Europameisters im Schwergewicht für einen aufstrebenden Boxer durchaus eine begehrte Trophäe sein, so stellt er für ambitionierte Akteure der europäischen Spitzenklasse allenfalls eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einem Kampf um die Weltmeisterschaft dar. Das bestätigte sich auch im Falle Kubrat Pulews, der den Gürtel in seinem Besitz hatte, während er bereits die Rangliste der IBF anführte. Der bei Sauerland Event unter Vertrag stehende Bulgare legte den Titel nieder, um sich mit dem US-Amerikaner Tony Thompson zu messen, den er am 24. August in Schwerin nach Punkten besiegen konnte. Damit avancierte Pulew zum Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos, während die Europäische Box-Union ein Duell zwischen dem Briten Dereck Chisora und dem Sauerland-Boxer Edmund Gerber anberaumte, um den vakanten Titel neu zu vergeben.

Der 25 Jahre alte Schweriner stieg am 21. September als Außenseiter in den Ring der Londoner Copper Box Arena, wo er sich den Traum vom ersten Titel im Profigeschäft nicht erfüllen konnte. Vor heimischem Publikum sicherte sich Dereck Chisora durch technischen K.o. in der fünften Runde den Gürtel des Europameisters und wahrte damit die Chance, noch einmal in den oberen Rängen mitzumischen. Der 29jährige Londoner hatte bereits Kämpfe gegen so namhafte Rivalen wie Tyson Fury, Vitali Klitschko, Robert Helenius und David Haye ausgetragen, dabei aber jedesmal den kürzeren gezogen. Nach drei Niederlagen in den vier vorangegangenen Kämpfen konnte sich Chisora am 20. Juli mit einem Sieg gegen den ungeschlagenen US-Amerikaner Malik Scott erfolgreich zurückmelden.

Dem deutschen Publikum ist Dereck Chisora vor allem durch seine Entgleisungen im Zusammenhang mit den Klitschkos bekannt. Wladimir Klitschko und Chisora sollten zweimal gegeneinander antreten, doch sagte der Ukrainer in beiden Fällen verletzungsbedingt ab. Das gab zu Mutmaßungen Anlaß, daß er zumindest bei der zweiten Absage eine lukrativere Option vorzog und den Briten deswegen versetzte. Als Chisora dann im Februar 2012 in München gegen Vitali Klitschko antrat, verpaßte er ihm beim Wiegen eine Ohrfeige und bespuckte tags darauf im Ring den als Sekundanten amtierenden Wladimir Klitschko mit Wasser. Nach dem verlorenen Kampf lieferte er sich auf der Pressekonferenz mit seinem Landsmann David Haye eine wüste Rangelei und drohte, ihn zu erschießen. Chisora wurde daraufhin vom britischen Verband vorübergehend gesperrt und boxte später unter Luxemburger Lizenz gegen Haye.

Am 30. November soll Dereck Chisora, der 18 Kämpfe gewonnen und vier verloren hat, den Titel des Europameisters zum ersten Mal verteidigen. Noch ist jedoch unklar, mit welchem Herausforderer er es dabei zu tun bekommt. Bislang galt der Schweizer Arnold Gjergjaj als aussichtsreichster Kandidat, der in 22 Auftritten ungeschlagen ist. Da er jedoch bislang fast ausschließlich Aufbaukämpfe in seiner Heimat bestritten hat und international weithin unbekannt ist, gilt er als wenig attraktive Option.

Laut polnischen Medienberichten hat jedoch auch Mariusz Wach gute Chancen, den Titelkampf gegen Chisora zu bekommen. Bei seinem bislang bedeutendsten Auftritt im Ring traf der Pole am 10. November 2012 in Hamburg auf Wladimir Klitschko, der es vor 15.000 Zuschauern in der ausverkauften O2-Arena erstmals in seiner Profikarriere mit einem Kontrahenten zu tun bekam, der mit 2,02 m noch größer als er selbst ist. Da Wach zudem in 27 Profikämpfen ungeschlagen war, stilisierte man ihn im Vorfeld des Kampfs zu einem ausgesprochen gefährlichen Herausforderer hoch. Im Ring schrumpfte der Pole jedoch rasch auf boxerisches Durchschnittsmaß, da er sich als technisch limitiert erwies. Lediglich seinen bemerkenswerten Nehmerqualitäten hatte es Wach zu verdanken, daß er zwölf Runden gegen den klar überlegenen Champion durchhielt und sich nur nach Punkten geschlagen geben mußte.

Einige Zeit später wurde bekannt, daß Mariusz Wach nach dem Kampf positiv auf anabole Steroide getestet worden war. Wie der 33 Jahre alte Pole versicherte, könne er sich diesen Befund nicht erklären. Möglicherweise sei es im Zuge seiner Vorbereitung in den USA zu Manipulationen in seinem Umfeld gekommen. Der Verdacht falle auf die Trainer, doch hätten ihm bei der Vorbereitung sehr viele Leute geholfen, über deren Handlungsweise er sich inzwischen nicht mehr im klaren sei. Der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) sperrte den Polen für ein Jahr, wobei die Sperre rückwirkend mit dem Kampftermin in Kraft trat. Zudem mußte Wach eine für seine Einkommensverhältnisse geringfügige Geldstrafe von 5113 Euro bezahlen, die der Max-Schmeling-Stiftung zugute kam.

Seit der Niederlage gegen Wladimir Klitschko hat der polnische Schwergewichtler keinen Kampf mehr bestritten, doch wurde er zuletzt von dem britischen Ex-Weltmeister David Haye als Sparringspartner verpflichtet. Der Londoner sollte ursprünglich am 28. September gegen seinen 2,06 m großen Landsmann Tyson Fury antreten, und da der Pole nur vier Zentimeter kleiner ist und ein ähnliches Gewicht auf die Waage bringt, bot es sich an, die Physis des kommenden Gegners mit seiner Hilfe zu simulieren. Vor allem aber schien Haye von den Nehmerqualitäten Mariusz Wachs beeindruckt zu sein. Der Pole sei einer der zähsten Schwergewichtler der Welt und habe ein Kinn aus Stahl, so der Brite. Gegen Wladimir Klitschko habe er unglaublich viel eingesteckt, ohne auch nur einen Schritt zurückzuweichen.

Nun hofft Mariusz Wach, für den 27 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, daß es so schnell wie möglich zu einer Einigung mit dem Team des Europameisters kommt. Er sei bereit, gegen Chisora anzutreten. Bei einem Auftritt in London könne er auf die Unterstützung zahlreicher Landsleute zählen, die in Großbritannien leben. Darüber hinaus wolle er wieder gegen die Klitschkos kämpfen und beweisen, daß er zur Elite des Schwergewichts gehört.[1]


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/wach-oder-gjergjaj-wer-wird-chisoras-gegner-am-30-november-29581

22. Oktober 2013