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MELDUNG/1152: Tomasz Adamek zieht den leichtgängigen Umweg vor (SB)




Nach der Absage Tony Granos nun gegen Dominick Guinn

Der dem deutschen Boxpublikum spätestens seit seiner Niederlage gegen Vitali Klitschko am 10. September 2011 in Wroclaw (Breslau) bekannte Tomasz Adamek ist aus niedrigeren Gewichtsklassen ins Schwergewicht aufgestiegen. Er war WBC-Weltmeister im Halbschwergewicht, bis er sich Chad Dawson geschlagen geben mußte. Daraufhin wechselte der in New Jersey lebende Pole ins Cruisergewicht, wo er sich als Außenseiter in einem Titelkampf gegen Steve Cunningham durchsetzte. Das renommierte "Ring"-Magazin zeichnete ihn als besten Boxer seiner Gewichtsklasse aus, und nach zwei erfolgreichen Titelverteidigungen stieg Adamek schließlich im Oktober 2009 ins Schwergewicht auf. Dort gewann er sechs Kämpfe in Folge und besiegte dabei unter anderem Chris Arreola, Michael Grant und Kevin McBride.

Diese Siegesserie machte ihn für Vitali Klitschko attraktiv, der im September 2011 den WBC-Titel vor 43.500 Zuschauern im neuerrichteten Fußballstadion Miejski in Wroclaw gegen den Polen verteidigte. Adamek hatte sich bis dahin dank seiner technischen Qualitäten und Beweglichkeit gegen die körperlich überlegenen Kontrahenten im Schwergewicht ausgezeichnet behauptet. Gegen den vierzehn Zentimeter größeren und deutlich schwereren Champion fand er jedoch kein Mittel und mußte zahlreiche Wirkungstreffer einstecken, die ihn mehrfach an den Rand einer frühzeitigen Niederlage brachten. Klitschko dominierte fast ausnahmslos das Geschehen im Ring und gewann schließlich durch technischen K.o. in der zehnten Runde.

Wie der Ukrainer nach seinem Sieg erklärte, boxe Adamek zwar schnell und geschickt, doch für das Schwergewicht einfach nicht wirkungsvoll genug. Diese Einschätzung brachte das Manko des Polen auf den Punkt, der im höchsten Limit nicht über die erforderliche Schlagwirkung verfügt, um hochklassige Gegner entscheidend zu schwächen und womöglich sogar vorzeitig zu besiegen. Nach dieser deprimierenden Niederlage kehrte Tomasz Adamek erst nach einer längeren Pause am 24. März 2012 in der Ring zurück. Er traf in New York auf Nagy Aguilera aus der Dominikanischen Republik, der als Außenseiter antrat, dem Polen bei dessen letztendlichem Punktsieg jedoch beträchtliche Mühe bereitete.

Am 16. Juni 2012 kam es in New Jersey zu einem Prestigeduell gegen den US-Amerikaner Eddie Chambers, das Adamek für sich entscheiden konnte. Chambers zog sich in diesem Kampf eine Verletzung zu, hielt den elf Kilo schwereren Polen jedoch mit seinem gesunden Arm erstaunlich gut auf Distanz und mußte sich schließlich nach Punkten geschlagen geben. Die Wertung war unter Zuschauern und Experten umstritten, da man wohl nicht ganz zu Unrecht die Gunst der Punktrichter witterte, die dem Lokalmatador einen zumindest in der Höhe schmeichelhaften Sieg beschert hatte. Nach diesem Kraftakt nahm sich der Pole am 8. September 2012 wiederum in New Jersey eine leichtere Aufgabe vor. Zwar hatte er gegen den US-Amerikaner Travis Walker anfangs überraschende Schwierigkeiten, doch konnte er einen Abbruch in der fünften Runde erzwingen.

Am 22. Dezember 2012 sah sich Adamek dann wieder mit einer anspruchsvollen Aufgabe konfrontiert. Vier Jahre nach dem ersten hochklassigen Duell gegen Steve Cunningham, das damals noch im Cruisergewicht stattgefunden hatte, kam es nun zu einer Neuauflage im Schwergewicht. Am 11. Dezember 2008 hatte der Pole knapp mit 2:1-Punktrichterstimmen die Oberhand behalten, bei der Revanche setzte er sich mit demselben Ergebnis durch. Cunningham, der ebenfalls aus dem Cruisergewicht ins höchste Limit aufgestiegen war und dort erst seinen zweiten Kampf bestritt, monierte ein Fehlurteil. Diese Auffassung teilte die Mehrzahl der neutralen Beobachter, während Adamek dagegenhielt, er habe gekämpft, sein Gegner aber sei davongelaufen.

Wie immer diese vier Siege in Folge zustande gekommen sein mochten, sie hatten Tomasz Adamek jedenfalls bis auf Platz zwei der IBF-Rangliste gebracht. Vor ihm rangierte Kubrat Pulew, gegen den er einen Ausscheidungskampf bestreiten sollte, dessen Sieger neuer Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos bei diesem Verband würde. Adamek ging dem in 17 Auftritten ungeschlagenen Bulgaren, der bei Sauerland Event unter Vertrag steht, jedoch aus dem Weg. Der Pole führte finanzielle Gründe für diese Entscheidung an und sprach von hochdotierten Alternativen, die jedoch nie Gestalt annahmen. Die harsch kritisierte Absage dürfte wohl eher der Einschätzung entsprungen sein, daß ein Kampf gegen Pulew schlichtweg zu riskant wäre. Der Bulgare hat mit Alexander Dimitrenko und dem riesigen Weißrussen Alexander Ustinow zwei körperlich weit überlegene Gegner vorzeitig besiegt. Deshalb gilt er auf dem Weg zu einem Titelkampf längst als gefährlicher Stolperstein, den man wenn irgend möglich vermeidet.

Wie die Gegnerwahl Adameks bestätigt, zieht er einen etwas umwegigen, aber wesentlich leichteren Weg an die Spitze vor. Er kündigte für den 3. August in Uncasville (Connecticut) den US-Amerikaner Tony Grano an, der seit seiner Niederlage gegen Eric Molina aus den Top 15 der WBC-Rangliste gefallen ist. Inzwischen mußte Grano den Kampf jedoch wegen eines Bandscheibenvorfalls absagen, worauf der 38jährige Dominick Guinn als Ersatz verpflichtet wurde. Dieser stand früher bei Adameks Promoter Main Events unter Vertrag, weshalb der Vertrag schnell geschlossen und die vom Sender NBC übertragene Veranstaltung gesichert werden konnte.

Während Adamek 48 Kämpfe gewonnen und nur zwei verloren hat, stehen für seinen Gegner 34 Siege, neun Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche. Doch Guinn gilt nicht nur auf dem Papier als klarer Außenseiter. Wurde er einst als neue Hoffnung des US-amerikanischen Schwergewichts gehandelt, wozu freilich nicht allzu viel gehört, hat er gegen Kubrat Pulew, Amir Mansour und Denis Boitsow verloren. Danach schaltete er zwar den Aufbaugegner Stacey Frazier bereits in der ersten Runde aus, doch liegt dieser leichte Sieg bereits vierzehn Monate zurück. Was noch immer für Dominick Guinn spricht, sind seine guten Nehmerqualitäten, so daß sich Adamek wohl einmal mehr über die volle Distanz quälen muß, um den nächsten Punktsieg einzufahren. [1]

Auf derselben Veranstaltung soll auch Eddie Chambers boxen, der inzwischen ebenfalls für Main Events in den Ring steigt und ins Cruisergewicht abgestiegen ist, wo er bei seinem Debüt auf den Südafrikaner Thabiso Mchunu trifft.

Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/grano-sagt-ab-adamek-nun-gegen-guinn-27787

21. Juli 2013