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GESELLSCHAFT/277: Vaterschaft im Kontext - Familiengründung und die Erwerbstätigkeit von Männern (WZB)


WZB Mitteilungen - Nr. 143, März 2014
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Vaterschaft im Kontext
Wie die Familiengründung die Erwerbstätigkeit von Männern beeinflusst

von Matthias Pollmann-Schult und Mareike Wagner



Kurz gefasst: Beeinflusst Vaterschaft die Berufsverläufe von Männern? Das WZB-Projekt "Vaterschaft, Elternschaft und Erwerbstätigkeit" untersucht die Auswirkung der Familiengründung auf das Erwerbsverhalten von Männern im Ländervergleich. Es zeigt sich, dass das Einkommen und die Arbeitszeit von Männern durch die Familiengründung beeinflusst werden - wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als bei Frauen. Wie sich die Elternschaft auswirkt, hängt dabei auch von individuellen Faktoren und dem Erwerbsverhalten der Partnerin sowie von den familienpolitischen Rahmenbedingungen ab.


Vater zu sein, beeinflusst das männliche Berufsbiografien? Lange drängte sich der Forschung diese Frage nicht auf. Es dominierte die väterliche Versorger- und Ernährerfunktion, die eine volle Berufstätigkeit und sogar eine Intensivierung der Erwerbstätigkeit nach der Familiengründung mit sich bringt. Die Erwerbstätigkeit steht im Mittelpunkt des männlichen Lebens, die Familie spielt eine nachgeordnete Rolle.

Seit einigen Jahren wird die Frage nach Elternschaft und männlichem Berufsverlauf in der Forschung aber verstärkt thematisiert. Denn in der Familienpolitik zeichnet sich eine langsame Abkehr vom Modell des männlichen Familienernährers ab (s. auch den Beitrag von Agnes Blome, S. 6-9). Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit und Förderung einer Beteiligung von Männern an der Familienarbeit lauten die neuen familienpolitischen Ziele. Erreicht werden sollen diese Ziele durch Maßnahmen wie den grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit, Gewährung von Steuerfreibeträgen für die private Kinderbetreuung den Ausbau der Kinderbetreuung für unter dreijährige Kinder und das einkommensabhängige Elterngeld (2007). Insbesondere die zwei Partnermonate der Elternzeit sollen Anreize zur Inanspruchnahme von Elternzeit durch Väter schaffen und die Beteiligung von Männern an der Kinderbetreuung fördern.

Nicht alle politischen Neuerungen steuern in dieselbe Richtung. Das seit 2013 ausgezahlte Betreuungsgeld an Eltern, deren Kind keine Betreuungseinrichtung besucht, fördert das Modell des männlichen Familienernährers, bei dem die Mutter zu Hause bleibt und sich auf die Kinderbetreuung konzentriert - ein politisches Zugeständnis vor allem an die CSU. Aber insgesamt ändern sich die Erwartungen an Männer. Sie sollen die Vaterrolle aktiv übernehmen und sich mehr in der Familienarbeit engagieren - auch zu Lasten ihrer Berufstätigkeit.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte WZB-Projekt "Partnerschaft, Elternschaft und Erwerbstätigkeit: Auswirkungen familialer Übergänge auf das Erwerbsverhalten von Männern im Ländervergleich" befasst sich mit dem Wandel der Vaterrolle in Familie und Beruf und untersucht, wie familiale Übergänge das Erwerbsverhalten von Männern prägen. Analysiert werden dabei der Einfluss individueller Faktoren, Aspekte der jeweiligen Familie und der gesellschaftliche Kontext. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wie das Erwerbsverhalten von Vätern unter verschiedenartigen institutionellen Rahmenbedingungen variiert.

In der einschlägigen Literatur dominieren theoretische Überlegungen, die erwarten, dass Väter ihr berufliches Engagement im Zuge der Familiengründung verstärken. Diese Theorien basieren auf der Annahme, dass sich nach der Familiengründung der Mann auf die Erwerbsarbeit konzentriert, während die Frau die Haus- und Familienarbeit übernimmt. Die Ursache für eine solche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung können Einkommensunterschiede sein: Männer erzielen oft ein höheres Einkommen als ihre Partnerinnen. Meist reduzieren daher die Mütter ihre Arbeitszeit. Auch ist denkbar, dass Männer, die aufgrund ihres höheren Einkommens über mehr Macht in der Partnerschaft verfügen, die Erledigung der Hausarbeit und Kinderbetreuung der Mutter aufbürden, oder dass sich Väter und Mütter bei der Ausgestaltung der Arbeitsteilung in Familie und Haushalt an traditionellen Geschlechterrollenvorstellungen orientieren.

Die neuere Väterforschung sieht allerdings einen Wandel weg vom traditionellen Familienernährer, der sich innerhäuslichen Arbeitsverpflichtungen weitgehend entzieht, und hin zum modern eingestellten Vater, der eine egalitäre Arbeitsteilung befürwortet. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass sich bei Männern ein deutlicher Einstellungswandel vollzogen hat. Zunehmend häufiger bevorzugen Männer eine egalitäre Aufgabenteilung und eine aktive Vaterschaft. Diese Männer möchten verstärkt Erziehungs- und Betreuungsaufgaben übernehmen.

Tatsächlich ist der Anteil der westdeutschen Männer, die eine egalitäre Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen befürworten, zwischen 1982 und 2012 von 32 auf 73 Prozent gestiegen. Allerdings hat dieser Einstellungswandel in der Realität des Alltags nur bedingt zu einer stärker egalitären Aufgabenteilung geführt. Studien zum Erwerbsverhalten und Familien-Engagement von Vätern belegen, dass Väter ihre Rolle des Haupternährers lediglich um einige Elemente der aktiven Vaterschaft ergänzt haben.

Empirische Studien zum Zusammenhang zwischen Vaterschaft und Erwerbstätigkeit befassen sich meist mit Veränderungen des Erwerbsumfangs und des Erwerbseinkommens nach dem Übergang zur Vaterschaft und mit der Frage, wie viel Elternzeit durch Väter in Anspruch genommen wird. Während das Einkommen von Frauen mit Beginn der Elternschaft in der Regel sinkt, hat die Familiengründung oft einen positiven Effekt auf das Einkommen von Männern. Infolge der Vaterschaft erhöht sich das Einkommen um bis zu 4 Prozent. Allerdings ist die Höhe dieses Zuwachses abhängig von vielen Faktoren: der Erwerbssituation der Partnerin, der partnerschaftlichen Lebensform, dem Bildungsniveau und der Berufsposition. Einen Einkommenszuwachs erzielen vor allem Väter mit einer nicht erwerbstätigen Partnerin. Väter, deren Partnerin in Vollzeit erwerbstätig ist, verzeichnen nur geringe Einkommenszuwächse oder gar Einkommensverluste. Nennenswerte Vorteile haben auch nur verheiratete Väter, nicht aber Väter, die in einer Lebensgemeinschaft leben. Schließlich verzeichnen Väter mit einem hohen Bildungsniveau und solche, die in höheren Berufspositionen tätig sind, einen größeren Einkommenszuwachs als niedrig qualifizierte Väter mit einfachen Jobs.

Ähnlich verhält es sich mit dem Einfluss der Familiengründung auf die Arbeitszeit von Vätern. Während Frauen nach der Geburt eines Kindes oft die Erwerbsarbeit unterbrechen und dann mit geringerer Stundenzahl ins Berufsleben zurückkehren, setzen Väter ihre Erwerbstätigkeit meist nahezu unverändert fort. Dabei richten Männer ihren Erwerbsumfang allerdings nach ihrer Partnerin aus. Ist die Partnerin erwerbstätig, wird im Zuge der Familiengründung die eigene Arbeitszeit - wenn auch geringfügig - verringert, wohingegen Männer, deren Partnerin nicht erwerbstätig ist, ihre Arbeitszeit ausweiten. Ferner arbeiten verheiratete Väter länger als Väter in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft und getrennt lebende Väter. Ein Faktor, der das Erwerbsverhalten beeinflusst, ist auch die persönliche Einstellung. Väter mit einer traditionellen Einstellung zur Arbeitsteilung in der Familie haben eher längere Arbeitszeiten als Männer mit einer egalitären Einstellung.

Auch wenn erwerbstätige Väter nur selten ihre Arbeitszeit reduzieren, so ist doch der Anteil der Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Ausschlaggebend hierfür war die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007. So haben vor 2007 lediglich etwa 1 bis 3 Prozent der Väter Elternzeit in Anspruch genommen. Wenige Jahre später hat sich die Situation schon enorm gewandelt. 27 Prozent der Väter von im Jahr 2011 geborenen Kindern bezogen Elterngeld. Allerdings beansprucht nur eine Minderheit dieser Väter Elterngeld über einen längeren Zeitraum. Die durchschnittliche Dauer des Elterngeldbezugs durch Väter betrug im Jahr 2011 gut drei Monate; etwa drei Viertel aller Väter mit Elterngeldbezug wählten eine Bezugsdauer von zwei Monaten.

Ob Väter Elternzeit beanspruchen, ist von ihren Lebensumständen abhängig, vor allem von der beruflichen Situation beider Elternteile. So nehmen überproportional häufig unbefristet beschäftigte und im öffentlichen Dienst tätige Väter Elternzeit in Anspruch, ebenso wie Väter, deren Ehefrau maßgeblich zum Haushaltseinkommen beiträgt. Ebenfalls sind ostdeutsche Väter, Väter in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft sowie Väter mit nur einem Kind unter den Elterngeld-Beziehern überrepräsentiert. Schließlich beanspruchen Väter mit einer hohen Familienorientierung und einer modernen Geschlechterrolleneinstellung überdurchschnittlich häufig Elternzeit.

Warum nehmen aber manche Väter gar keine Elternzeit in Anspruch? Als wichtigster Grund werden die absehbaren Einkommensverluste angeführt. Zwei Drittel der Väter, die keine Elternzeit beanspruchen, geben an, finanziell auf ihr volles Gehalt angewiesen zu sein. Darüber hinaus nennt etwa jeder dritte junge Vater betriebliche Hindernisse oder die Furcht vor beruflichen Nachteilen. Inwiefern sich die Inanspruchnahme von Elternzeit über diesen Zeitraum hinaus auf das väterliche Erwerbsverhalten und die innerhäusliche Arbeitsteilung auswirkt, wurde bislang nicht hinreichend untersucht. Unser Forschungsprojekt setzt hier an und untersucht, ob Väter, die Elternzeit nehmen, auch langfristig ihre Arbeitszeiten einschränken, um sich mehr Zeit für die Familie zu nehmen. Erste Projektergebnisse deuten darauf hin, dass Männer nach einer Elternzeit eher bereit sind, weniger Zeit für die Erwerbsarbeit aufzuwenden, um sich verstärkt in die Familienarbeit einzubringen.

Ländervergleichende Studien lassen darauf schließen, dass das Erwerbsverhalten von Vätern stark durch gesellschaftliche Kontextfaktoren beeinflusst wird, zum Beispiel durch die sozial- und familienpolitischen Rahmenbedingungen und die vorherrschenden Vorstellungen von Geschlechterrollen. So weiten Väter in den USA den Erwerbsumfang deutlich stärker aus als in Deutschland, wohingegen in vielen skandinavischen Ländern der Übergang zur Elternschaft weder die Arbeitszeit noch das Einkommen von Männern beeinflusst.

Unser Forschungsprojekt versucht, diese Länderunterschiede auf unterschiedliche familienpolitische Regelungen zurückzuführen. In Studien, die das Erwerbsverhalten von Männern in über 20 Ländern vergleichen, untersucht das Projekt den Einfluss von Elternzeitregelungen, Kindergeld und öffentlicher Kinderbetreuung auf das Erwerbsverhalten von Männern. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich insbesondere die Elternzeitregelungen auf die Arbeitszeiten von Vätern auswirken. Lange Elternzeiten für Mütter begünstigen eine traditionelle Arbeitsteilung. Väter weiten ihre Arbeitszeit tendenziell aus, wenn sie in einem Land leben, in dem es ihren Partnerinnen möglich ist, für mehrere Jahre in Elternzeit zu gehen. In Ländern, die hingegen gut bezahlte Elterngeldmonate für die Väter reservieren, reduzieren Väter ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes ein wenig. Für niedrig gebildete Väter spielt zudem das Kindergeld eine Rolle. Diese Väter reduzieren ihre Erwerbstätigkeit in Ländern, die großzügiges Kindergeld bezahlen. Niedrig gebildete Väter in Ländern, die gar kein oder nur wenig Elterngeld zahlen, weiten ihre Erwerbstätigkeit dagegen aus.

Öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen unterstützen in erster Linie die Erwerbstätigkeit von Müttern. Ein Einfluss auf die Arbeitszeit von Vätern lässt sich nicht feststellen. Das Forschungsprojekt fand jedoch heraus, dass das Angebot an Betreuungsplätzen Auswirkungen auf die Lage der Arbeitszeiten von Eltern hat. In Ländern, in denen es wenig öffentliche Kinderbetreuung gibt, entscheiden sich Eltern in Doppelverdienerpaaren oft dafür, in versetzten Schichten zu arbeiten. Ein Elternteil arbeitet dann abends, nachts oder am Wochenende. So können die Partner abwechselnd auf die Kinder aufpassen. Nacht- und Wochenendarbeit wirkt sich jedoch oft negativ auf das Familienleben aus. In Ländern, in denen es ein gutes Netz an öffentlicher Kinderbetreuung gibt, arbeiten Eltern daher seltener zu solchen atypischen Arbeitszeiten, da beide Eltern erwerbstätig sein können, während ihr Kind extern betreut wird. Ein gutes öffentliches Betreuungsangebot kann Eltern und Kinder also vor den negativen Auswirkungen von Wochenend- und Nachtarbeit schützen.

Insgesamt verweisen die hier diskutierten Befunde auf ein komplexes Wirkungsgefüge. Ob und in welche Richtung sich das Erwerbsverhalten von Männern nach der Familiengründung ändert, hängt stark von individuellen und familialen Eigenschaften sowie von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Weiterer Forschungsbedarf besteht vor allem zur Frage, wie der jeweilige Arbeitskontext das Erwerbsverhalten von Vätern beeinflusst. In der einschlägigen Forschung wird oft das Argument vorgetragen, dass Väter zwar ihre Arbeitszeiten verkürzen möchten, diesen Wunsch jedoch aufgrund betrieblicher Widerstände nicht umsetzen können. Von Interesse ist daher die Frage, inwiefern Organisationsstrukturen und -kulturen die Inanspruchnahme von Elternzeit sowie eine nachhaltige Verringerung der Arbeitszeit begünstigen.


Matthias Pollmann-Schult ist Heisenberg-Stipendiat in der WZB-Projektgruppe der Präsidentin. Der in Bielefeld habilitierte Soziologe forscht über Bildung und Arbeitsmarkt, Geschlecht und Familie sowie über Sozialstruktur und Ungleichheit.

Mareike Wagner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Partnerschaft, Elternschaft und Erwerbstätigkeit" in der WZB-Projektgruppe der Präsidentin. Die Soziologin forscht über die Vereinbarkeit von Elternschaft und Erwerbstätigkeit in Deutschland und Europa.


Literatur

Pollmann-Schult, Matthias: "Familie, Erwerbsarbeit, Einkommen". In: Paul B. Hill/Johannes Kopp (Hg.): Handbuch Familiensoziologie. Wiesbaden: Springer VS 2014, im Erscheinen.

Trappe, Heike: "Väter mit Elterngeldbezug: Nichts als ökonomisches Kalkül?". In: Zeitschrift für Soziologie, 2013, Jg. 42, H. 1, S. 28-51.

Wagner, Mareike/Pollmann-Schult, Matthias: "Family Policies and Fathers' Working Hours. Cross-National Differences in the Paternal Labor Supply" (unveröffentlichtes Manuskript 2014).

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Quelle:
WZB Mitteilungen Nr. 143, März 2014, Seite 19-22
Herausgeberin:
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Professorin Jutta Allmendinger Ph. D.
10785 Berlin, Reichpietschufer 50
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2014