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GESELLSCHAFT/169: "Neue Väter - andere Kinder?" - Vaterbild im Umbruch (idw)


Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main) - 04.01.2007

"Neue Väter - andere Kinder?" - Das Vaterbild im Umbruch


FRANKFURT. Der Vater als Ernährer der Familie hat noch immer nicht ausgedient, aber längst gibt es eine breite Vielfalt von Vatertypen, die sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen an den "neuen" Vater auf sehr unterschiedliche Weise auseinander setzen. Diese Erwartungen sind hoch: Er soll sich aktiv, kompetent und emotional in der Kindererziehung engagieren und partnerschaftlich agieren. Am Frankfurter Institut für Sozialforschung haben die Soziologen Andrea Bambey und Hans-Walter Gumbinger untersucht, wie sich die Rolle des Vaters gewandelt hat und wie sich dies auf die Familienkonstellation auswirkt. Als Auszug aus ihrem Forschungsprojekt stellen sie in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Forschung Frankfurt" (4/2006) drei Vater-Typen vor: den fassadenhaften, den randständigen und den egalitären Vater.

An der Studie beteiligten sich über 1.500 Väter von Grundschulkindern aus dem Rhein-Main-Gebiet und nahmen in einem Fragebogen Stellung zu traditionellen Rollenklischees, aber auch zu ihrer emotionalen Kompetenz, ihrem Einfühlungsvermögen gegenüber ihrem Kind und dem Erleben der Partnerschaft. Darüber hinaus wurden sie befragt, wie sie sich innerhalb der Familie engagieren, welche Position sie dort einnehmen und wie sicher sie sich in ihrer väterlichen Rolle fühlen. Auch die Einstellung der Väter zur Herkunftsfamilie wurde untersucht. "Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, die elterliche Rolle nach bestimmten gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen zu gestalten. Die Pluralisierung der familialen Lebensformen bedeutet für den Einzelnen nicht nur eine Zunahme an Optionen, sondern auch den Verlust alter Selbstverständlichkeiten und neue Zwänge, sich mit möglichen Formen der eigenen Lebensgestaltung auseinander zu setzen", erläutert Andrea Bambey; und ihr Kollege Hans-Walter Gumbinger fügt hinzu: "Auch die innerfamiliale Arbeitsteilung - wer macht was, wer ist wofür zuständig - ist nicht mehr so klar vorgezeichnet wie noch in der Elterngeneration, und heutige Eltern müssen individuell nach neuen und differenzierteren Antworten und Entwürfen der Lebensführung suchen."

Zu den drei ausgewählten Typen: Der "egalitäre" Vater unterscheidet sich deutlich von allen anderen und bildet unter den Befragten mit über 28 Prozent die größte Gruppe. Diese Väter nehmen sich als partnerschaftlich, dem Kind zugewandt, geduldig und als von der Partnerin hoch akzeptiert wahr. Traditionelle Rollenklischees lehnen die egalitären Väter ab, und sie fühlen sich in ihrer Rolle sicher. Sie sind bestrebt, ein Konzept von Vaterschaft zu realisieren, das von emotionaler Kompetenz und reflexiver Auseinandersetzung mit der väterlichen Rolle getragen ist. Die Erziehung des Kindes wird als ein in der Partnerschaft gemeinsam und in egalitärer Aufgabenteilung gestaltetes Projekt aufgefasst. Die Beziehung zum Kind ist für den Vater von hoher Bedeutung - auch für das eigene Selbstverständnis. In der Praxis ließ sich dies jedoch nicht immer konsequent durchhalten, was die Befragten mit beruflichen oder finanziellen Zwängen erklärten. Der "fassadenhafte" Vater, den fast 25 Prozent der befragten Väter repräsentieren, distanziert sich von einem traditionellen Rollenverständnis; sein Verhältnis zum Kind schätzt er positiv ein, und er sieht sich von der Partnerin hoch akzeptiert. Er hat sich meist erst nach einigem Zögern zur Vaterschaft entschieden und oftmals eine sehr klischeehafte und idealisierte Vorstellung von Familie. Da ihm nicht so recht klar ist, wie er als Vater sein will, fühlt er sich in Erziehungsfragen oft überfordert und hat keine hinreichenden Lösungen, um Alltagsprobleme zu bewältigen. Hinter der Fassade des fürsorglichen, überlegenen und gewissenhaften Vaters zeigt er sich eher hilflos.

"Randständige" Väter (etwa 10 Prozent der Befragten) fühlen sich in der Dreier-Beziehung "Vater, Mutter, Kind" wenig akzeptiert. Sie wollen sich mehr in der Familie engagieren, stoßen damit aber bei seiner Partnerin auf Unbehagen. Mit ihrem traditionellen Rollenverständnis erleben sie ihre Versuche als Eingriff in ihren Kompetenzbereich. Dieser Vater-Typus ist davon überzeugt, dass seine Partnerin seinen erzieherischen Kompetenzen misstraut, und seiner Wahrnehmung nach möchte die Mutter ihn aus der Beziehung zum Kind sogar tendenziell ausschließen. Er geht ohnehin davon aus, dass die Beziehung zum Kind für seine Partnerin wichtiger ist als die Paarbeziehung.

Die Untersuchung hat ein breites Spektrum hoch unterschiedlicher Ausgestaltungsformen von Vaterschaft ergeben. Dazu das Soziologen- Team: "Für den familialen Wandlungsprozess sind die dabei aufscheinenden Formen von gradueller Vaterlosigkeit, wie dies in einigen Aspekten für den fassadenhaften wie auch für den randständigen Vater gelten könnte, von besonderem Interesse."

Nähere Information:
Andrea Bambey, E-Mail:
Andrea.Bambey@extradsl.de
Hans-Walter Gumbinger, E-Mail:
gumbinger.messer@freenet.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution131


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main),
Stephan M. Hübner, 04.01. 2007
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E-Mail: service@idw-online.de