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MELDUNG/372: Verspielte Menschen haben Vorteile (idw)


Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 04.01.2017

Psychologie: Verspielte Menschen haben Vorteile


Erwachsene können ihren Hang zur Verspieltheit in vielen Situationen positiv nutzen. Sie sind gut im Beobachten, nehmen leicht neue Perspektiven ein und gestalten monotone Aufgaben für sich interessant. Gleichzeitig ist Verspieltheit aber nicht gleichzusetzen mit Humor. Stattdessen brauche es dafür neue Begriffe, schreiben Psychologen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift "Personality and Individual Differences".


Anders als bei Kindern ist Verspieltheit bei Erwachsenen bisher nur wenig erforscht. "Modelle der Verspieltheit im Kindesalter wurden oft auf Erwachsene übertragen. Dadurch gehen aber viele Aspekte verloren, zum Beispiel solche, die sich auf romantische Beziehungen oder intellektuelle Leistungen beziehen", sagt PD Dr. René Proyer vom Institut für Psychologie an der MLU. Verspielte Menschen seien dazu in der Lage, Situationen aus ihrem Leben so umzudeuten, sodass sie diese zum Beispiel als unterhaltsam erleben oder sich das Stresslevel reduziert.

In mehreren Studien und Befragungen mit rund 3.000 Teilnehmern ist Proyer dem Phänomen bei Erwachsenen weiter auf den Grund gegangen. Er fand heraus: Verspieltheit lässt sich nicht anhand der fünf großen Persönlichkeitsmerkmale beschreiben, die häufig zur Beschreibung der Persönlichkeit herangezogen werden. Zu diesen zählen Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit und emotionale Stabilität. "Verspieltheit ist eine eigenständige Komponente, die Anteile dieser fünf globalen Dimensionen hat, aber nicht mit ihnen austauschbar ist", so Proyer weiter. Die Studie zeige auch, dass Menschen, die sich selbst als verspielt beschreiben, auch von anderen so eingeschätzt werden. Und: Verspielte Menschen leben ihre Neigung auch in vielen alltäglichen Situationen aus.

Insgesamt identifiziert der Psychologe vier Grundtypen von verspielten Erwachsenen: "Es gibt Menschen, die gern mit Freunden und Bekannten herumalbern. Das beschreiben wir mit der auf andere ausgerichteten Verspieltheit. Leichtherzig verspielte Menschen dagegen sehen ihr ganzes Leben eher als Spiel", so Proyer. Eine weitere Kategorie sind die Menschen, die gerne mit Ideen und Gedanken spielen - das beschreibt die intellektuelle Verspieltheit. Die Menschen könnten auch eintönige Aufgaben für sich interessant gestalten. Die letzte Gruppe beschreibt der Psychologe als extravagant Verspielte: "Menschen mit dieser Tendenz interessieren sich für seltsame und groteske Dinge und können sich an kleinen Beobachtungen im Alltag amüsieren."

Die Studien zeigen, dass Verspieltheit bei Erwachsenen ganz unterschiedlich zum Ausdruck kommt und auch positiv zu bewerten ist. Gerade im deutschen Sprachraum ist sie aber eher negativ besetzt: Verspielte Menschen werden mitunter nicht ernst genommen oder als unzuverlässig eingeschätzt. Zu Unrecht, wie Proyer sagt: "Wenn es etwa um das Lösen komplexer Problemstellungen geht, können sie leicht die Perspektive wechseln. Dadurch finden sie ungewöhnliche und neue Lösungen."

Die aktuelle Studie gebe auch Anreize für weitere Forschungsbereiche, wie der Evolutionspsychologie: Zwar hat Verspieltheit keinen direkten Überlebensvorteil, könnte aber bei der Partnerwahl und in Liebesbeziehungen eine wichtige Rolle spielen. Mit diesem Thema werden sich die halleschen Psychologen in den kommenden Monaten beschäftigen.

Zur Publikation:
Proyer, René T.
A new structural model for the study of adult playfulness: Assessment and exploration of an understudied individual differences variable.
Personality and Individual Differences 108 (2017)
DOI: 10.1016/j.paid.2016.12.011



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution167

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Katharina Ziegler, 04.01.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2017

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