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MELDUNG/327: Variable Gehirnaktivität - Hilfreich oder nicht? (idw)


Goethe-Universität Frankfurt am Main - 18.04.2016

Variable Gehirnaktivität: Hilfreich oder nicht?

Wer leicht zwischen Aufgaben wechselt, ist oft anfälliger für Ablenkungen. Das haben Psychologen der Goethe-Universität bei der Beobachtung der Gehirnaktivität herausgefunden.


FRANKFURT. Unser Gehirn kann auf denselben Reiz sehr unterschiedlich reagieren: Mal steigt die Gehirnaktivität stark an, ein anderes Mal nur wenig. Menschen, bei denen diese Schwankungen stärker ausgeprägt sind (die also eine variablere Hirnaktivität aufweisen), zeigen kürzere Reaktionszeiten und bessere Leistungen. Psychologen der Goethe-Universität haben nun festgestellt, dass diese Menschen sich aber auch leichter ablenken lassen.


Wie die Wissenschaftler um Prof. Christian Fiebach von der Abteilung Neurokognitive Psychologie im Journal of Neuroscience berichten, erfassten sie die Gehirnaktivität mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT). Sie baten ihre Probanden, im fMRT-Scanner eine Aufgabe zu bearbeiten, die zum einen erfordert, flexibel von einer Anforderung zur anderen zu wechseln, in der die Probanden manchmal aber auch stabil bei einer Aufgabe bleiben müssen und irrelevante Reize ignorieren sollen. Im Alltag begegnen uns diese wiederstreitenden Anforderungen an kognitive Stabilität und Flexibilität häufig, zum Beispiel wenn wir versuchen, in einem vollen Zug die Gespräche von Mitreisenden zu ignorieren um uns auf ein Buch zu konzentrieren (=Stabilität), jedoch bei Ankündigung des Schaffners durchaus wechseln können und zum Beispiel die Fahrkarte aus der Tasche holen (=Flexibilität).

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Variabilität der Hirnaktivität zum einen hilfreich ist: Personen mit einer variableren Hirnaktivität machten weniger Fehler, und zwar unabhängig von den genauen Anforderungen. Jedoch führt Variabilität speziell in einer Region im linken Frontalhirn auch dazu, dass man irrelevante Reize nicht so effizient ausblenden kann", erklärt Dr. Diana Armbruster-Genç, die Erstautorin der Studie. Dieser Befund ist deshalb für Kognitionsforscher interessant, weil sie vermuten, dass besagte Hirnregion den Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben koordiniert. Diese Vermutung wird durch die Frankfurter Studie untermauert, denn sie zeigt, dass spontane Fluktuationen in der Aktivierung dieser Region für die Leistung beim Wechsel von Aufgaben oder aber deren Beibehaltung von Bedeutung sind.

"Wir stehen noch am Beginn einer hochinteressanten Forschung, die es uns hoffentlich ermöglichen wird, die Dynamik der Prozesse im Gehirn besser zu verstehen", kommentiert Prof. Christian Fiebach die Bedeutung der Studie. Inwiefern die Variabilität der Gehirnaktivität unter Umständen beeinflusst werden kann, muss noch untersucht werden.

Publikation:
Armbruster-Genç, D.J., Ueltzhöffer, K., Fiebach, C.J.:
Brain Signal Variability Differentially Affects Cognitive Flexibility and Cognitive Stability,
Journal of Neuroscience. 2016 Apr 6;36(14):3978-87.


Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist sie Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution131

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 18.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2016

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