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SCHULE/477: Defizite bei der Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in der Schule (idw)


Technische Universität Dresden - 06.10.2016

Defizite bei der Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in der Schule

Erste Ergebnisse einer aktuellen Studie der Dresdner Kommunikationswissenschaft.


Nachrichtenkompetenz ist als Thema in deutschen Schulbüchern unterbelichtet. Dabei wird es in Zeiten des Internets und der Sozialen Netzwerke mit ihren vielen Nachrichtenquellen von oft unklarer Herkunft immer wichtiger, sich mit Journalismus und der Qualität von Nachrichten auszukennen. Doch auch in den Lehrplänen finden sich wenige Vorgaben, ob und was Schüler im Bereich Journalismus und Nachrichtenkompetenz lernen sollen.

Das sind erste Ergebnisse einer aktuellen Studie im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse, die vom Projektleiter Professor Lutz Hagen vor Kurzem auf dem Zeitungskongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger in Berlin vorgestellt wurden.

Immerhin jedes zweite Schulbuch aus den Fächern Deutsch, Geschichte, Ethik und Gemeinschaftskunde in den Ländern Sachsen, Berlin oder Nordrhein-Westfalen geht punktuell auf Nachrichtenmedien und journalistische Inhalte ein. Dabei beschränken sich die Ausführungen aber nur auf wenige Seiten und machen im Durchschnitt allenfalls ein bis zwei Prozent des Textes aus. Auch auf der politischen Ebene wird Nachrichtenkompetenz nicht besonders wichtig genommen: Sowohl in Leitlinien der Kultusministerkonferenz als auch in den Lehrplänen der Bundesländet gibt es bislang nur sehr wenige Vorgaben zur Vermittlung von Nachrichtenkompetenz.

Die Ergebnisse basieren auf einer qualitativen Analyse von Dokumenten der Kultusministerkonferenz (KMK) und Lehrplänen sowie auf einer quantitativen Inhaltsanalyse von insgesamt 339 Schulbüchern der drei wichtigsten Verlage Cornelsen, Klett und Westermann. Im Blickpunkt standen dabei a) die Bundesländer Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen, b) die Schulfächer Deutsch, Geschichte, Ethik und Gemeinschafts- bzw. Sozialkunde, c) die Schulformen Realschule und Gymnasium und d) die Klassenstufen 5 bis 10.

Die Analyse der KMK-Dokumente und der Lehrpläne zeigt, dass Medienbildung im Allgemeinen bereits als ein wichtiger Auftrag der Schulen verstanden wird. Insbesondere für die Schulfächer Deutsch und Gemeinschaftskunde finden sich vielfältige Vorgaben zu nahezu allen Dimensionen der Medienkompetenz. Thematisiert werden der kompetente Einsatz von Medien, Medienkunde, Medienkritik sowie Mediengestaltung. Lediglich die gesellschaftliche Relevanz von Medien wird dabei kaum beachtet. Die Förderung von Nachrichtenkompetenz - also der Fähigkeit Nachrichtenmedien zielgerichtet zu nutzen, zu verstehen, kritisch zu beurteilen sowie an der Nachrichtenproduktion zu partizipieren - wird hingegen nur in sehr wenigen Dokumenten explizit angesprochen.

Trotz der fehlenden verbindlichen Vorgaben zur Nachrichtenkompetenzvermittlung in der Schule finden sich in den Schulbüchern bereits erstaunlich viele Bezüge zu Nachrichten und journalistischen Inhalten. Über die Hälfte der Schulbücher thematisiert Dimensionen der Nachrichtenkompetenz. Im Hinblick auf das Bundesland und den Schultyp finden sich dabei keine nennenswerten Unterschiede. In unteren Klassenstufen (5.-6.) werden Fähigkeiten im Umgang mit Nachrichten seltener angesprochen, besonders stark zeigt sich dieser Unterschied bei Büchern für die Realschule. Deutsch und Gemeinschaftskunde stellen sich als wichtigste Schulfächer für die Nachrichtenkompetenzvermittlung heraus. In diesen Fächern greifen 68 bzw. 59 Prozent der Schulbücher Themenaspekte der Nachrichtenkompetenz auf. In puncto Umfang nimmt Nachrichtenkompetenz allerdings nur einen sehr geringen Stellenwert in den Schulbüchern ein. Insgesamt 1,6 Prozent aller Buchseiten bzw. im Durchschnitt 4,5 Buchseiten greifen Dimensionen der Nachrichtenkompetenz auf.

Mit Blick auf die Themenaspekte, die in den Schulbüchern behandelt werden, fällt auf, dass der Fokus vor allem auf Medieninhalten liegt. Übergeordnetes Wissen zum Mediensystem oder Mediengattungen wird deutlich seltener vermittelt. Darüber hinaus zeigt sich, dass digitale Medien und deren Inhalte, insbesondere die in der Nachrichtennutzung junger Menschen, immer mehr an Bedeutung gewinnenden Sozialen Medien, weitaus seltener behandelt werden als klassische Nachrichtenmedien wie Zeitung und Fernsehen.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie einen Nachholbedarf in Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in Schulen auf. Die für Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe notwendige Fähigkeit, Nachrichten kompetent rezipieren zu können, hat bisher noch keinen ausreichenden Niederschlag in der Bildungspolitik erfahren. In den Schulbüchern gibt es zwar durchaus erste Angebote zur Auseinandersetzung mit journalistischen Inhalten, doch übergeordnetes Wissen zu Produktionsbedingungen und Wirkungen von Medieninhalten sowie der generellen Bedeutung von Nachrichten(medien) spielen bisher nur eine untergeordnete Rolle.


Weitere Informationen zur Studie:
Hagen, L.M., Renatus, R. & Obermüller, A. (2016). Was ist relevant? Einfluss der Schule auf das Informationsverhalten von Kindern und Jugendlichen - Eine Studie. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (Hrsg.): Zeitungen 2016/17. Berlin: BDZV.


Weitere Informationen zur Studie:
http://blog.politikorange.de/2016/09/jugendliche-und-die-sache-mit-nachrichten/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution143

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Dresden, Kim-Astrid Magister, 06.10.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2016

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