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SCHULE/313: Einblicke ins Schülerleben (idw)


Universität Konstanz - 23.02.2011

Einblicke ins Schülerleben

Langzeitstudie an der Universität Konstanz und PH Thurgau untersucht den Zusammenhang von Unterrichtsqualität und Emotionen


Ob Schüler während des Schulunterrichts Freude empfinden, sich ärgern, Angst haben oder sich langweilen, hat entscheidende Auswirkungen auf den Lernerfolg. Die Langzeitstudie "Struktur und Ursachen von Lern- und Leistungsemotionen: Längsschnittanalysen zu habituellen und situativen Emotionen im Unterricht" der Arbeitsgruppe Erziehungswissenschaft/Empirische Bildungsforschung an der Universität Konstanz untersucht, welchen Einfluss die Unterrichtsqualität auf die Emotionen der Schülerinnen und Schüler im Unterricht hat. Die Untersuchungsergebnisse sollen in der Lehrerausbildung und - fortbildung eingebracht werden. Prof. Dr. Thomas Götz leitet das Projekt zusammen mit Prof. Dr. Vinzenz Morger von der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG). Gefördert wird die über drei Jahre laufende Studie vom Schweizer Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (SNF) mit 258.000 Schweizer Franken.

Dass Thomas Götz als Forscher an einer deutschen Universität Schweizer Fördergelder erhält, liegt an dem wohl einmaligen Zuschnitt seiner Professur: Der Konstanzer Bildungsforscher hat eine so genannte Brückenprofessur inne, die sowohl an der Universität Konstanz angesiedelt ist als auch an der PH Thurgau im Schweizer Kreuzlingen. Die Langzeitstudie findet im Kanton Thurgau und anderen Kantonen der Ostschweiz statt. 800 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 11 werden einerseits zu ihren Emotionen im Unterricht, andererseits zur Unterrichtsqualität befragt. Die Erhebung bezieht sich auf die Unterrichtsfächer Deutsch, Englisch, Französisch, Geschichte und Mathematik.

Der wissenschaftliche Schwerpunkt der Umfrage liegt auf 150 Schülerinnen und Schülern, die je mit einem so genannten Personal Digital Assistant (PDA) ausgestattet werden. Mithilfe des kleinen Taschencomputers werden ihnen während des Unterrichts Fragen vorgelegt, etwa wie stark sie individuell gerade Freude, Ärger, Angst, Langeweile usw. empfinden. Oder wie die Strukturiertheit des Unterrichts, der Enthusiasmus des Lehrers und die Kommunikation innerhalb der Klasse eingeschätzt werden. "Wir haben durch die Studie einen schönen Einblick ins wirkliche Leben und können sehen, wie sich die Schülerinnen und Schüler im Unterricht und in der Freizeit fühlen", so Projektleiter Thomas Götz.

Der Fragebogen, den die restlichen 650 Schülerinnen und Schülern ausfüllen, weist zusätzliche Fragestellungen auf und soll auch geschlechterspezifische Unterschiede erheben. So ist aus der Gender-Forschung bekannt, dass Mädchen im Mathematik- und Physikunterricht mehr Angst empfinden als ihre männlichen Mitschüler, selbst wenn sie die gleichen Leistungen bringen. "Da wollen wir ebenfalls ansetzen: Woran liegt es, dass Mädchen in den Fächern mehr Angst zeigen, obwohl sie die gleichen Noten haben", so der Bildungsforscher Götz.

Die 150 Schülerinnen und Schüler mit dem Taschencomputer werden in den fünf Fächern über die drei Jahre hinweg insgesamt rund 30mal pro Jahr angepiepst. "Wir versuchen herauszufinden, wie Lehrkräfte Einfluss auf das emotionale Erleben der Schülerinnen und Schüler nehmen", fasst Thomas Götz das Ziel der Untersuchung zusammen. Die Langzeitstudie, die die einzelnen Schüler über drei Jahre begleitet, hat den Vorteil, auf individuelle Unterschiede einzugehen. "Wir müssen vom Gedanken wegkommen, dass eine spezifische Unterrichtsmethode bei allen Schülerinnen und Schülern dieselben Wirkungen auf die Emotionen hat. Das kann individuelle sehr verschieden sein", so Götz weiter.

Thomas Götz ist seit 2007 Professor für Erziehungswissenschaft und Empirische Bildungsforschung an der Universität Konstanz und an der PH Thurgau. An beiden Einrichtungen ist er in der studentischen Ausbildung für das gymnasiale Lehramt zuständig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Antezedenzien von Emotionen im Lern- und Leistungskontext, Domänenspezifität emotionalen Erlebens, Langeweile im Unterricht, Förderung selbstregulierten Lernens in der Sekundarstufe und Unterrichtsqualität.

Vinzenz Morger ist seit 2003 Professor für Lehrerausbildung an der PH Thurgau. Seit 2006 ist er Titularprofessor der Universität Zürich. Er ist als Mitglied des Kernteams Forschung an der PHTG zuständig für das Modul Wissenschaft und Forschung sowie die wissenschaftliche Beratung von Dozierenden. Seine Forschungsschwerpunkte sind Domänenspezifität emotionalen Erlebens in der Schule, Ausbildung kognitiver Fähigkeit bei Kindern, Sprachenlernen, Implizites Gedächtnis und Flexibilität konzeptionellen Wissens.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1282


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Julia Wandt, 23.02.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2011