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REZENSION/033: Karsten Müller, Jerzy Konikowski - Taktische Endspiele (SB)


Karsten Müller, Jerzy Konikowski


Taktische Endspiele




Buchcover: Taktische Endspiele - © by Joachim Beyer Verlag

Buchcover: © by Joachim Beyer Verlag

Wenn jemand im Vorwort von der "Faszination im Reich der Endspiele" (S. 6) schwärmt und sich noch dazu als Autor zu erkennen gibt, dann kann man sich sicher sein, dass es sich um den Hamburger Großmeister Karsten Müller handelt. Der renommierte Endspielexperte hat im Laufe seiner fachliterarischen Tätigkeit zur letzten Phase einer Schachpartie ganze Regale mit Veröffentlichungen gefüllt und sich akribisch, gewissenhaft und mit unsterblicher Leidenschaft den einzelnen Motiven und Problematiken im Endspielbereich gewidmet. Dass er nicht müde wird, einesteils an seinem didaktischen Stil zu arbeiten und zum anderen mit geschärftem Augenschein die Mechanismen und Kniffe in diesem komplexen Partieabschnitt ins Bewusstsein der Leser zu rücken, beweist sein in Zusammenarbeit mit Jerzy Konikowski verfasstes Buch 'Taktische Endspiele'.

Gewiss, die Seele der Endspiele ist das Taktische. Strategische Überlegungen spielen nur am Rande eine Rolle, sind vernachlässigbar, da nur in seltenen Fällen und zumeist mit vielen Figuren auf dem Brett von Relevanz. Bei seinem neuesten Werk legt Müller den Schwerpunkt auf die Vektoren 'aktiver König', 'Mattangriff', 'Freibauer' und 'Zugzwang'.

Das Repertoire der Endspielkunst weist natürlich weitaus mehr Basismomente auf, die miteinander verstrickt sind und sich wie Perlen an einer Kette ergänzen und aufeinander folgen. Man kann freilich darauf bauen, mit den von den Autoren im Buch empfohlenen Punkten nahezu alle Endspielstellungen abzudecken. So gesehen zeigt es Sachverstand, auf diese grundlegenden Elemente das Augenmerk zu richten und die Vertiefung der zu erlernenden Kenntnisse darauf zu fokussieren.

Gliederung und Abfolge der Kapitel sprechen für sich. Im 1. Teil geht es um die Rolle des Königs, darauf folgt die Macht der Bauern, das Herbeiführen eines Zugzwangs, die Inszenierung eines Mattangriffs und ein Reservoir an Mattmotiven sowie verschiedene, der Ergänzung dienende Taktiken im Figuren- und Bauernspiel.

Mit hundert beispielhaften Stellungen beginnt die Reise in die faszinierende Welt der Endspiele, die aus zeitnahen Turnieren stammen. Fünfzig Übungsaufgaben im Anschluss prüfen den erworbenen Kenntnisgewinn und als Sahnehäubchen folgen noch hundert Studien, die praxisrelevant und aufschlussreich den Zugriff auf die Endspiele bereichern.

Die Autoren verlieren sich nicht ins Dickicht der tausend Neben- und Untervarianten, sondern beschränken sich auf die kritischen Hauptfolgen, was eine mögliche Verwirrung und Überforderung ausschließt und so die zielführenden Gedanken und Schritte klar erkennen lässt. Wie wichtig es ist, Mattmotive im Auge zu behalten, da mitunter erst ein kombinatorisches Anpirschen über Sein oder Nichtsein im Endspiel entscheidet, enthüllt das 4. Kapitel mit eingehender Sorgfalt.

Charmant, augenzwinkernd und den Horizont der Reserven und Ausnahmen von der Regel erweiternd schließt das Buch mit pointierten Studien ab, die durchaus taktische Finessen ansprechen, aber trotz ihrer Komposition fernab des Turnierbrettes doch Einblicke gewähren in die Fülle der Möglichkeiten, die bei der Lösung eines Endspielproblems zu Rate gezogen werden können.

Müller und Konikowski haben hier einen Grundsatz der Didaktik beherzigt: Zum Lernen gehört das Lehrreiche, zum Verstehen der verständnisinnige Dialog über die geeigneten Mittel eines Buches, damit der Schritt über die Schwelle seinen Nutzen behält.

8. Dezember 2024


Karsten Müller, Jerzy Konikowski
Taktische Endspiele
Joachim Beyer Verlag 2024
199 Seiten
ISBN 978-3-95920-212-1


veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 182 vom 21. Dezember 2024


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