Ist es nicht seltsam, kaum erfährt man, daß die Partie im heutigen Sphinx-Rätsel von Michail Tal gespielt wurde, da blickt man auf das Brett und sucht nicht den vernünftigen, sondern den außergewöhnlichen und waghalsigsten Zug? In Gedanken verwirft man sofort die Fortsetzungen 1.Lf4-g3 oder 1.Lf4-g5, weil sie eines Tals unwürdig wären. Das spürt man, das weiß man vom Nachspielen so vieler seiner Partien, daß Tal immer dann, wenn er großen Entwicklungsvorsprung angehäuft hatte oder die Stellung irgendwie für den Gegner verdächtig aussah, mit einer Kavalkade von glänzenden Opferzügen aufzuwarten verstand. Wanderer, du sollst nicht enttäuscht werden, und es heißt, wenn Tal eine Figur zu verlieren drohte, dann spielte er so, daß er eine weitere oder auch mehrere Figuren ins Geschäft steckte. Nur im Tumult schwindelerregender Kombinationsfolgen fühlte sich der Zauberer aus Riga pudelwohl, und wurde so zum Schrecken vieler seiner Großmeisterkollegen.
Tal - Tringow
Amsterdam 1964
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Es mutet wie Zauber an, wie das Heraufbeschwören tiefer
erdverwurzelter Mächte, aber hinter der Fassade lächelt immer ein
Mensch, der denkt: 1.Tg5-g8+! Df8xg8 2.Dg2-g7+! Dg8xg7 3.f6xg7+ Kh8-g8
4.Sf5-e7#
Erstveröffentlichung am 31. März 2007
20. April 2020
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