Wo immer kopflose Kritiker die Lippen schürzen und in ihren Reden Künste, von denen sie nichts verstehen, mit Speichel und Geifer beschmutzen, stellen pointierte Dichterverse die beste Waffe der Erwiderung dar. So war das Schachspiel jahrhundertelang, und auch in moderner Zeit hat sich im Grunde nichts daran geändert, denn wer kennt nicht bis zum Erbrechen die Platitüde vom weltfremden Schachspieler -, stumpfsinnigen Vorwürfen ausgesetzt. Es fanden sich freilich auch immer gewitzte Apologeten, die Paroli boten, jedoch nicht in der Weise, dem Spötter schelmisch zu antworten und sich so im Wettkampf um die größte Lästerzunge zu verlieren. Ein verständiger Mensch entkräftet den gegnerischen Einwand, indem er ihm das Fundament entzieht, wie es beispielsweise der Kalifensohn Ibn Mu'tazz einst tat:
"Du, der du mit zynischem Spott
unser geliebtes Schach tadelst,
wisse, daß hier Geschicklichkeit eine Wissenschaft ist,
daß das Spiel Zerstreuung der Trauer bringt.
Es sänftigt die Sorgen der Liebenden,
es bewahrt den Trinker vor Ausschweifung,
es gibt dem Krieger Rat,
wenn Gefahr naht, wenn Untergang droht;
es gewährt, wenn wir ihrer am meisten bedürfen,
Gefährten unserer Einsamkeit."
Im heutigen Rätsel der Sphinx drohte dem schwarzen König Untergang, und vielleicht war es ihm ein Trost, daß sein Kontrahent einen kurzen Mattweg fand ohne viel Leidens, Wanderer.
Spasski - Short
London 1982
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Kalif Omar hätte Gefallen an der schwarzen Kombination gefunden, die
auf kriegerische Weise mit der weißen Stellung aufräumte: 1...Sf6xe4!
2.f3xe4 Te8xe4+ 3.Ke1-d2 Ta8-c8 4.Lf1-d3 Dg6-g5+ 5.Kd2-d1 und Weiß ist
am Boden zerschlagen. Mit 5...Ld7-a4+ oder auch 5...Ld7xg4+ ist die
Kapitulation zu erzwingen.
Erstveröffentlichung am 26. November 2006
16. Dezember 2019
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