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SCHACH-SPHINX/06882: Mahnung an die Zeit (SB)


Keine Zeit scheint besser geeignet zu sein als unsere, um sich an die Worte des Ex-Weltmeisters Emanuel Lasker zu erinnern. Schon zu seinen Zeiten wuchs die Theoriemenge, die ein Lernender zu bewältigen hatte, so sehr ins Unfaßbare, daß Lasker eine Mahnung angebracht hielt. Statt wie ein Hornvieh alles in sich hineinzufressen, riet er, "sich darin zu üben, die entstehenden Stellungen nach Prinzipien des gesunden Menschenverstandes einzuschätzen. Man versucht entweder auf dem Schachbrett für sich, indem man die wahrscheinlichen Züge macht und die Schlußstellung beurteilt und dies Verfahren oft wiederholt - zehnmal, fünfzigmal, tausendmal -, oder man versucht, indem man nach bestem Ermessen mit einem Gegner spielt und den Verlust auf dessen Gründe hin untersucht. Durch solche Versuche lernt ein jeder mehr als durch ein Kompendium". Gesunder Menschenverstand, ein hoher Anspruch, und die Meinungen der Fachleute gehen in diesem Punkte sicher weit auseinander. Worauf es Lasker jedoch ankam, war, die Steigerung der Kritikfähigkeit eines Lernenden anzuspornen, damit er sich nicht überstrecke und bloß willenlos anpasse an einen Stand, den er nicht begreift. Was nützt einem Lernenden der beste Großmeisterzug in dieser oder jener Stellung, wenn ihm die Methode des Beurteilens fehlt? Rückkehr zu den Wurzeln, zu den Dingen, die gesund, faßbar, nachvollziehbar sind, das waren die Prinzipien, denen Lasker vertraute und die leider oftmals in den Lehrbüchern unterschlagen werden. Im heutigen Rätsel der Sphinx kannst du dich im Rechnen üben, Wanderer, eine Fähigkeit, die man nie unterschätzen sollte. Vor dem Tempelbau von Logik und Kreativität muß der Grundstein der einfachen Rechenschritte gelegt werden. Weiß war am Zuge, und damit tauchte die Frage auf, ob der weiße Damenbauer das Rennen für sich entscheiden konnte gegenüber seinem Konkurrenten auf der c-Linie?



SCHACH-SPHINX/06882: Mahnung an die Zeit (SB)

Jussupow - Adams
Dortmund 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1.Dd3-d8! besiegelte das Schicksal der schwarzen Stellung. Der Läufer auf e8 war verloren. Kasparow versuchte mit 1...Dh6-g6, dem Unvermeidbaren zu entrinnen. Nun hätte 2.Dd8xe8 durchaus zum Sieg gereicht: 2...Dg6-e4+ 3.Tg1-g2 Lf8-d6 4.Sc8xd6! De4-b1+ 5.Tg2-g1 usw. Doch Iwantschuk ging nicht das geringste Risiko ein und wählte mit 2.f4-f5 Dg6-h6 3.g4-g5 Dh6-h5 4.Tg1-g4 e6xf5 5.Se2-f4 Dh5-h8 6.Dd8-f6+ Kg7-h7 7.Tg4xh4+ den klareren Gewinnweg.


Erstveröffentlichung am 31. März 2006

30. März 2019


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