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SCHACH-SPHINX/06734: Zu brav für einen Weltmeister (SB)


Als Max Euwe 1935 den Weltmeister Alexander Aljechin entthronte, nahm man dies mit einer gewissen Verwunderung hin. Sofort wurde eine Palette von Erklärungen von den Kommentatoren des Wettkampfs geliefert. Aljechin habe seinen Gegner völlig unterschätzt und sei psychisch nicht auf der Höhe gewesen. Daß er zu der Zeit maßlos getrunken hatte, wurde beiläufig erwähnt. Großes Tamtam machte man aus solchen Ungezügeltheiten des Russen nicht. Die Parteinahme für Aljechin war auch nach seiner Niederlage unstrittig. Kaum einer kam auf den simplen Gedanken, daß Euwe sich einfach wesentlich intensiver und auch wissenschaftlicher auf das Match vorbereitet hatte. Er war 1935 schlechterdings der bessere Spieler, seine Manöver waren klar, sauber ausgearbeitet und filigran durchdacht. Für Aljechin gab es seinerzeit nichts zu holen, und mag er hundertmal unpäßlich gewesen sein. Es war wohl so, daß man sich Euwe als Weltmeister nicht vorstellen konnte. Der Holländer war eine blasse Erscheinung. Ihm fehlte, sprichwörtlich gesprochen, das markante Kinn. Sein Verhalten war das eines braven Bürgerlichen, kein Anhauch von verwegenem Genie, kein Schatten von abenteuerlicher Lebensauffassung befleckte sein Erscheinungsbild. So ein wohlerzogener Charakter konnte kein Weltmeister sein, und als er zwei Jahre später im Revanchematch Aljechin unterlag, sah sich die Schachwelt in ihren Vermutungen bestens bestätigt. Im heutigen Rätsel der Sphinx konnte der brave, maßvolle Holländer dennoch brillant gegen Aljechin gewinnen, indem er das geplante Entfesselungsmanöver des Russen - 1...La4-b5 - kurzerhand durchkreuzte, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06734: Zu brav für einen Weltmeister (SB)

Euwe - Aljechin
WM 1935

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der weiße Bauer auf g6 inspirierte Eric Lobron nach 1...Dc4xa2?! zu einem grandiosen Abschluß. Der Wiesbadener spielte stark und verwegen 2.b2-b3!! und opferte damit einen zweiten Bauern, gar unter Schachgebot: 2...Da2-b1+ 3.Kh1-g2 Db1xc2+ 4.Kg2-h3. Der weiße König stand nun sicher, und auf 4...Ld8-f6 hätte Lobron mit 5.Sf5xh6+! g7xh6 6.Df3xf6 Dc2xb3 7.Df6xe5 a6-a5 8.De5-f5 eine Gewinnstellung herbeiführen können. Gegen den Vormarsch des weißen e-Bauern wäre kein Kraut gewachsen gewesen. Der Italiener opferte daher mit 4...g5-g4+!? einen Bauern zurück, um nach 5.Df3xg4 Dc2-d3 seine Dame wieder ins Spiel zu führen, aber für derlei Rettungsaktionen war es zu spät: 6.Sf5xh6+! Kg8-h8 - 6...g7xh6 7.Dg4-e6+ Kg8-h8 8.De6-e8+ Kh8-g7 9.De6- f7+ nebst Matt - 7.Dg4-f5 Ld8-e7 8.Sh6-f7 und Schwarz gab auf, da die weiße Dame im nächsten Zug nach h5 gewandert wäre.


Erstveröffentlichung am 3. November 2005

2. November 2018


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