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SCHACH-SPHINX/06649: Atomisierung einer Variante (SB)


Es läßt sich in Worten kaum ausdrücken, wieviel Mühen und selbstquälerische Strapazen Schachspieler auf sich nehmen, um eine bestimmte Variante zu widerlegen oder ihr zu ihrem Recht auf Anerkennung zu verhelfen. Dieser Ehrgeiz läßt sich mit Vernunft nicht erklären. Sinnvoller wäre es vielmehr, die viele Zeit in eine umfassendere Eröffnungsanalyse oder Mittelspielstrategie zu stecken. Denn der Nutzen einer analytischen Atomisierung einer speziellen Variante ist begrenzt und läßt sich oft nur auf eine einzige Partie anwenden. Nach dem Erfolg im Turnier wird das bis dahin eifersüchtig gehütete Geheimnis Allgemeingut. Es läßt sich ja kein Patent darauf erheben, und wozu auch? Der Überraschungseffekt ist dahin, und sollte die Tiefenanalyse wirklich stichhaltig sein, wird die Variante in dieser Form und Ausgestaltung ohnehin nicht wieder auftauchen. Wieviele Stunden sind darüber verflossen, nur um einen kleinen Ausschnitt einer einzelnen Eröffnung ins Riesenhafte zu dimensionieren? Und doch ist dieser Typus von Schachspieler wie von einem Zwange besessen und wird sich über kurz oder lang eine andere Variante wählen, die er dann bis aufs Skelett erforschen kann. Er ist wie ein Miniaturmaler, der zwar mit Respekt auf die Baumeister der Kathedralen schaut, für sich allerdings im kleinen nach den Gesetzen der inneren Dynamik der Schachkunst forscht. Im heutigen Rätsel der Sphinx kommt noch ein weiterer Spielertypus zu Worte, der mit Vorliebe das Detail untersucht, nämlich der Analytiker des Endspiels. Auch hier werden feinste Manöver und Genauigkeit verlangt. Nun, genaugenommen steht das Endspiel erst bevor, und, noch strenger formuliert, verhinderte Weiß sogar, daß sich die Partie in die Länge zog und zu einer echten Endspiel-Gedankenquälerei wurde, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06649: Atomisierung einer Variante (SB)

Pelletier - Gerber
Villars-sur Ollon 1995

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Was schleicht er da herum, der Papierpapier mit den dünnen Barthaaren? War 1.Lf4-e5 etwa ein Angriffszug? Er war wohl als solcher geplant, aber Kramnik ließ sich nicht täuschen: 1...Se7xf5! 2.e4xf5 Lb7xg2 3.Kg1xg2 - 3.Tf2xg2 Td8-c8 4.Tg2-f2 Da2-d5 5.Sd2-f3 Tc8-c2 - 3...Da2- d5+ 4.Sd2-f3 Te8xe5! 5.Dg3xe5 Dd5xe5 6.Sf3xe5 - wo ist er hin, der weiße Sturmwind? - 6...d3-d2 7.Tf2xd2 - traurige Notwendigkeit - 7...Td8xd2+ 8.Kg2-f3 und Weiß gab auf.


Erstveröffentlichung am 10. August 2005

9. August 2018


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