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SCHACH-SPHINX/06560: Tugendhafter Weg des Mittelmaßes (SB)


Sebastian Brants vor 500 Jahren in Gedichtform geschriebenes Bändchen "Narrenspiegel" ist eine Ansammlung bürgerlich-moralischer Weisheitssprüche. Narr nennt Brant darin all jene, die den tugendhaften Weg des Mittelmaßes verlassen und neben Prasserei, sinnlosem Vergnügen und Müßiggang dem Spiel in allen seinen Facetten huldigen, Menschen also, die aus der ständischen mittelalterlichen Gesellschaftsordnung ausscherten. Mag auch das Schachspiel zu jener Zeit nicht in denselben Topf mit dem Glücks- und Würfelspiel geworfen worden sein, Brant interessierte das nicht. Sein Plädoyer griff ohne Ausnahme die gesamte Palette "nichtswürdiger" Zeitvertreibe an. Er kreierte ein Menschenbild, darin nur das emsige Bestreben, gottesfürchtig zu leben, Eingang fand. Alles andere, Unkrautartige, Schändliche, Verschwenderische war verachtenswert, eben närrisch. So liest man bei ihm: "Ein Spieler ist nicht Gottes Freund. Die Spieler sind des Teufels Kind." Teufelskinder sah er in allen, und damit auch in Schachspielern. Das Moderne hat sich von mittelalterlichen Wortfloskeln weitgehend freigemacht. Nur verschrobene Köpfe bekreuzigen sich, wenn irgendwo das Wörtchen Teufel fällt. Wir haben ihn aus der Welt getrieben. Wirklich? Oder hat er sich nur ein anderes Gewand übergezogen? Spielteufel, sagen wir heute, wenn wir in Anlehnung an Brant von Teufelskindern sprechen. Mag sein, daß der Stockholmer Meister Karlsson solch ein Schachteufel ist. Schließlich bezwang er im heutigen Rätsel der Sphinx den deutschen Meisterspieler Lobron, und wo nicht auf teuflische Art, so doch mit spielerischer Teufelei. Also, Wanderer, mit welchem Angriffszug setzte sich die weiße Arme in Bewegung?



SCHACH-SPHINX/06560: Tugendhafter Weg des Mittelmaßes (SB)

Karlsson - Lobron
London 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Wer ahnte wohl, daß der schwarze König von einem Mattnetz umdroht war. Dreh- und Angelpunkt dieser Bedrohung war jedoch der weiße Freibauer. Waganjan ging zielstrebig vor mit 1.Sd4-e6+!, ein Zug, der möglich war, weil auf 1...Db6xe6? 2.d7-d8D gefolgt wäre. So mußte die schwarze Majestät zum Brettrand ausweichen mit 1...Kg7-h6 - ideale Voraussetzungen für einen Mattüberfall: 2.Td1-d3! Lf6-h4! - Verteidigung und Gegenangriff, aber... - 3.Td3-e3! c3-c2 4.d7-d8D! und Schwarz gab auf, da auf 4...Lh4xd8 5.Te3-h3+! im nächsten Zug mattsetzt.


Erstveröffentlichung am 13. Mai 2005

10. Mai 2018


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