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SCHACH-SPHINX/06022: Schon bei der Geburt Waise (SB)


Ideen sind eine verwickelte Angelegenheit. Schnell sind sie erdacht und ebensorasch bezwingen sie den Einwand des zweifelnden Herzens. Mitunter ist der Neid auf die Welt, denn gegen diese soll sich die Idee ja behaupten, der Geburtshelfer vieler Miseren. Nichts macht den Menschen unmündiger als das Festhalten am geistigen Besitz. Endlich glaubt man diese oder jene Verbesserung in einer bestimmten Variante hervorgekitzelt zu haben, da ergreift uns Entdeckerstolz. Wie eine Schwangere tragen wir unsere Idee in uns und warten auf den Tag der Geburt nicht minder sehnsuchtsvoll wie die Gebärende. Die Idee soll die Ahnenschaft unserer Erfolge fortsetzen. Endlich kommt der Tag der Bewährung. Der Zug wird ausgespielt wie eine goldene Trumpfkarte, nur zu stechen vermag sie nicht. Der Gegenspieler hat nämlich trotz der Kürze der Zeit einen Weg zur Widerlegung gefunden. So ist die neue Idee, kaum geboren, schon zum Waisen geworden. Auch Meister Sterk hatte sich für seine Partie gegen Alexander Aljechin ein neues Eröffnungskonzept im Damengambit überlegt. Doch nachdem sein Geisteskind die ersten Gehversuche abgeschlossen hatte, übermannte ihn der Übermut, und so sollte Aljechin den Part des Widerlegers spielen im heutigen Rätsel der Sphinx. Also, Wanderer, mit welchem schönen Manöver konnte Aljechin als Weißer die etwas aberwitzige Position der schwarzen Figuren auf dem Damenflügel zu einem Sieg verdichten?



SCHACH-SPHINX/06022: Schon bei der Geburt Waise (SB)

Aljechin - Sterk
Budapest 1921

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Das Beieinander von schwarzer Dame und schwarzem König brachte Meister Becker auf einen teuflisch guten Einfall. Nach 1.e5-e6+! durfte 1...Lh3xe6 nicht geschehen wegen der Bauerngabel 2.f4-f5. Doch nach 1...Dd7xe6 2.Ld3xg6+ Kf7xg6 3.f4-f5+ leitete die zweite Bauerngabel die allesentscheidende Springergabel nebst Damengewinn ein: 3...Lh3xf5 4.Se2-f4+ Bei soviel Gabeln verging seinem Kontrahenten Jung verständlicherweise der Appetit an der Partie.


Erstveröffentlichung am 26. November 2003

17. November 2016


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