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SCHACH-SPHINX/05706: Verschwommene Kreidezeichen (SB)


Unter den tragischen Häuptern des 20. Jahrhunderts darf der Name eines Meister der Schachkunst, der wie kein anderer den Nachthimmel durchwandert hat, nicht fehlen, weil er seinen Stern nie fand: Robert Hübner. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat der deutsche Boden keine Blume gleich ihm hervorgebracht, und er war es, der sich dem Lauf der Zeit und ihrem russischen Sekundenschlag mehrmals entgegenstellte, der das Kandidatenkarussel so viele Male betrat, nur um zuletzt in schwindelnder Hast durch den Schwung eines krassen Fehlgriffs wieder hinauskomplimentiert zu werden. Biel 1976; die Schweiz als Austragungsort des Interzonenturniers. Hübner stand kurz vor der nächsten Treppenstufe. Ein Sieg über den Ex-Weltmeister Tigran Petrosjan und er wäre weitergekommen. Dann, in einer leicht zu gewinnenden Stellung der katastrophale Fehler. Wie ein Vorhang aus dichtem Stoff hing über Hübners Augen die Schachblindheit, daß er das Matt in wenigen Zügen nicht sah. Er selbst sagte hinterher dazu: "Wie ein Schüler, der, vom Lehrer aufgerufen, eine geometrische Aufgabe zu lösen, auf die Tafel starrt: die Kreidezeichen verschwimmen vor seinen Augen, während die Klassenkameraden fröhlich lärmen; einige bewerfen sich mit Papierkügelchen, andere flüstern sich die Lösung, über ihre Leichtigkeit kichernd, zu - so glotzte der Führer der weißen Steine glanzlosen Auges auf die Stellung, während die Zuschauer rumorten." Hübner hat Geschichte geschrieben, wenn auch im negativen Sinne, wie jemand, der, die Krone in Händen, ihren Wert nicht erkennt. Bist du wacheren Auges, Wanderer, und siehst im heutigen Rätsel der Sphinx, was Hübner übersah?



SCHACH-SPHINX/05706: Verschwommene Kreidezeichen (SB)

Hübner - Petrosjan
Biel 1976

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Bargeldlos, aber in Ehren siegte der russische Meister Gennadi Kuzmin in Kusadasi. In der Partie gegen Groszpeter fand er die bezaubernde Siegeskombination 1.Sf5-g7! De6-e7 2.Le3-c5! De7xc5 3.Sg7-h5 und gegen das drohende Matt auf h7 nach Sh5xf6 war nichts mehr zu erfinden. Groszpeter durfte den Springer natürlich nicht schlagen wegen 1...Kh8xg7 2.Le3-h6+ und Matt in Kürze.


Erstveröffentlichung am 19. Januar 2003

05. Januar 2016


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