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SCHACH-SPHINX/05686: Ein Esel im Beharren (SB)


Nichts ist einem Schachmeister verhaßter und gallengiftiger, als wenn der Gegner nicht zur rechten Zeit aufgibt. Das kann ihn mitunter zur Raserei treiben, insbesondere wenn ihm der andere mit seinem Können gerade einmal bis zum Bauchnabel reicht. Nun war es dem russischen Großmeister Blumenfeld einmal geschehen, daß er, vor sich ein Brett mit einer einfachen Mattfolge, ungewöhnlich lange schwieg und nachgrübelte. Er ließ sich erstaunlich viel Zeit, seine Gedanken schienen sich auf weit abgerückten Bahnen zu bewegen. Schließlich, als erwachte er aus einem Traum, tat er die zwingenden Züge und lehnte sich wieder zurück. Sein Blick hing dabei fest an seinem Gegenüber. Der fragte nun, sich darüber wundernd, weshalb der große Meister für eine einfache Mattsequenz derart viel Zeit verbraucht hatte, nach. Blumenfeld schob den Kopf nach vorne, lächelte schief und antwortete: "Ich versuchte herauszufinden, warum Sie nicht aufgeben." So etwas kommt häufiger vor, als man glaubt. Offenbar traut man den ansonsten hochverehrten Meistern nicht zu, daß sie die simpelsten Mattführungen erkennen. Bogoljubow hatte bei einem Nürnberger Simultanturnier dasselbe Problem. Sein Gegner war völlig zerrieben worden, seine Stellung glich einem zerrupften Huhn. Bogoljubow, der wohl bemerkte, daß der andere die hoffnungslose Partie ums Verrecken bis zur letzten Konsequenz weiterspielen wollte, fragte schließlich kaltschnäuzig: "Kriegen Sie eigentlich noch ihre letzte Straßenbahn?" Der Mensch will, wo es unnötig ist, weitermachen, wo er aber kämpfen müßte, beugt er sich rasch. Nun, Wanderer, was gibt es im heutigen Rätsel zu lernen? Kasparow, mit Weiß am Zuge, fand eine hübsche Forcierung zum Sieg.



SCHACH-SPHINX/05686: Ein Esel im Beharren (SB)

Kasparow - Iwantschuk
Linares 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die georgische Meisterin war Herrin über ihre Gefühle und Gebieterin ihres Verstandes, als sie 1...Dd8-g5! zog. Nun führte 2.Dd2xg5 nach 2...Sd4-e2+ 3.Kg1-h1 Tf8-f1+ 4.Lc5-g1 Tf1xg1# zum Matt. Sandler zog daher 2.Sd5-f6+, aber nach 2...Tf8xf6 verlor er die Lust zum Weiterspielen.


Erstveröffentlichung am 30. Dezember 2002

16. Dezember 2015


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