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SCHACH-SPHINX/05658: Spirituelle Bösartigkeit (SB)


Man hat Schachspielern immer wieder einmal eine Art spirituelle Bösartigkeit unterstellt. Sie seien getrieben vom Wunsch, den anderen mit einem Matt sinnbildlich ans Kreuz zu nageln, um so - welche Bizarrerie! - in einem Opfergang die eigene Unschuld wiederherzustellen. Diese Phantasien sind zu abstrus, um näher darauf einzugehen, sie zeigen unterdessen, daß es immer noch ein starkes ambivalentes Bedürfnis auf Seiten der Schachkritiker gibt, im Königlichen Spiel so etwas wie eine gestaltgewordene Dämonie zu vermuten. Anders wären beispielsweise die psychonalytischen Verirrungen von einem ödipalen Komplex, dem ein Schachspieler zwanghaft ausgesetzt sei, gar nicht zu erklären. Kranke Gespinste, Irrbilder zwischen Wahn und Halbschatten. Genährt wurden diese Abstrusitäten in vielen Fällen freilich von den Schachmeistern selbst. Wenn Kasparow behauptet, es würde ihm darum gehen, seinen Gegenspieler, im Bild gesprochen, zu vernichten und unbarmherzig zu eliminieren, dann darf man sich hinterher natürlich nicht wundern, daß Schauergeschichten daraus entstehen, die, im jeweiligen Gewand einer Denkinstitution, das Image des Schachspielers schwärzen. Schach ist heutzutage zu einem Sport geworden. Wettkämpfe erheben den Konkurrenzgedanken zum höchsten Prinzip. Die Kunst tritt, wenn überhaupt, dann nur marginal in Erscheinung als anachronistischer Wunsch von Romantikerseelen. Bedauerlich, aber so hat jede Zeit dem Schach einen Stempel aufgedrückt. Von Blutrünstigkeit ist jedenfalls im heutigen Rätsel der Sphinx nichts zu bemerken, dafür um so mehr von geistreicher Angriffsführung. Meister Bagirow jedenfalls konnte mit seinem nächsten weißen Zug die Haltlosigkeit der schwarzen Strategie unter Beweis stellen. Also, Wanderer, die Messer gewetzt und angegriffen!



SCHACH-SPHINX/05658: Spirituelle Bösartigkeit (SB)

Bagirow - Eskola
Berlin 1991

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die schwarzen Figuren standen optimal für einen Mattangriff, und als Meister Muffang sich die kleine Ungenauigkeit 1.Tf1-e1 leistete, kombinierte Aljechin blitzschnell und erweckte ein weiteres Angriffspotential mit einem Damenopfer: 1...Sc6xa7! 2.Te1xe4 d5xe4 3.Sf3-h4 e4-e3! Das Ziel war erreicht, Aljechin hatte die lange Diagonale h1-a8 geöffnet. Der Rest spielte sich fast wie in einem Reagenzglas ab: 4.Dd1-h5+ Ke8-f8 5.f2xe3 f4xe3 6.Ld2xe3 - 6.Dh5-f3+ Kf8-g8 7.Df3xe3 Ld7-c6+ 8.Sh4-f3 Tc8-f8 - 6...Ld7-c6+ 7.Sh4-f3 Kf8-g8 8.Dh5-h3 Lc6-d5 9.Le3xh6 Tg7-g6 10.Dh3-h5 Ld5-e4 11.Lh6-g5 Tc8-c3 12.Kh1-g1 Tc3xf3 13.Dh5-g4 Sa7-b5 14.h2-h4 Sb5-c3 15.Kg1-h2 Tf3-f2+ 16.Kh2-h3 Le4-f5 und Weiß gab das aussichtslose Spiel auf.


Erstveröffentlichung am 02. Dezember 2002

14. November 2015


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