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SCHACH-SPHINX/05558: Grenzpfahl deutschen Gemüts (SB)


Das 19. Jahrhundert war italienisch geprägt, will heißen, die großen Meister der Schachromantik spielten die Italienische Partie mit solcher Lust und Inbrunst, daß andere Eröffnungen, abgesehen einmal vom Königsgambit, das Ebenbürtigkeit beanspruchen konnte, kaum auch nur in die Nähe des italienischen Throns herankommen konnten. Das schwindelnde Hineintauchen in die Fluten dieses Systems mit seinen taktischen Wellenbrechern machte die Italienische Partie so unnachahmlich wertvoll für jenes Jahrhundert. Schließlich jedoch war der Geist müde geworden am erbitterten Kampf vom ersten Zuge an. Und so suchte er sich einen Ruhepol und fand ihn auch in alten Büchern: die Spanische Partie. Doch schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich insbesondere deutsche Meister dieser Spielweise angenommen und ihre Möglichkeiten ergründet. Diese waren zwar flacher im Wellengang als die italienischen Wirbel, dafür kam das Spanische freilich dem Grenzpfahl deutschen Gemüts näher als sonst eine Eröffnung. Weit hinein in die Theorie verästelten sich ihre strategischen Gedanken und Grundzüge. Alles bekam einen Namen, wurde tiefsinnig ausgelotet, verwaltet. Das Spanische, ohnehin nur eine Namenswillkür der Geschichte, nahm deutsches Wesen an. Und schon war man nahe dran, sie in 'Deutsche Partie' umzutaufen, was jedoch mißlang. Die Engländer liefen Sturm und überschwemmten den Markt mit der Eröffnung 'Ruy Lopez'. So hieß nämlich der spanische Geistliche, der sie im Mittelalter in seinem Büchlein vermerkt hatte, wiewohl er von ihrem Gebrauch ausdrücklich abgeraten hatte. Es blieb somit alles beim alten. Die Spanische Partie kam einem zwar spanisch vor, doch deutsch durfte sie nicht sein. Die Welt erhob Einwände. Was man mit der Spanischen Partie dennoch alles so anfangen konnte, bewiesen Halprin und Pillsbury im Münchener Turnier 1900. Halprin hatte die schwarze Stellung mit einem wahren Opferreigen heimgesucht und zuletzt 1.Lg5- h6! gespielt. Der Untergang des schwarzen Königs schien unvermeidlich zu sein. 1...g7xh6 2.Tf3-g3+ Kg8-f8 3.Dh5xe5 sah ganz düster aus. Also, Wanderer, welchen einzig möglichen Zug fand Pillsbury im heutigen Rätsel der Sphinx, der die Waage in der Remisbalance hielt?



SCHACH-SPHINX/05558: Grenzpfahl deutschen Gemüts (SB)

Halprin - Pillsbury
München 1900

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die ungarische Großmeisterin Zsuzsa Polgar erspähte die Lücke und opferte mit 1.De4xf5! ihre Dame. Zu Recht, denn nach 1...Tf8xf5 2.Te6- e8+ Tf5-f8 - 2...Lg7-f8 3.Ld6-e5+ - 3.Ld6xf8 Lg7-e5+ - 3...Lc8xg4 4.Lf8-c5+ - 4.Kh2-h1 gab Todorcevic auf, ohne unter den verschiedenen Mattbildern seine Wahl zu treffen: 4...Lc8xg4 5.Lf8-h6# oder 4...Da7- f7 5.Lf8-g7# oder 4...h7-h5 5.Lf8-g7++ Kh8-h7 6.Te8-h8#


Erstveröffentlichung am 26. August 2002

06. August 2015


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