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SCHACH-SPHINX/05517: Kein Ende mit dem Neid (SB)


Bekannt ist aus der Geschichte der Schachkunst, daß zwischen Zukertort und Steinitz eine offenkundige Rivalität herrschte um das Zepter des Königlichen Spiels. Auch Lasker und Steinitz balgten sich um die Anerkennung als Vorreiter des prinzipiell strategischen Schachgedankens. Zank und Gezeter gab es auch zwischen Aljechin und Capablanca. Es hat kein Endenwollen mit dem Neid, diesem zivilisationsstiftenden Übel. Überall, wo zwei Köpfe zusammenstoßen, klingt es nach dumpfer Besserwisserei. Glanz und Elend, wo hätte der Neid nicht seine Finger dazwischen gehabt. Das Streben des Menschen, so scheint es zumindest, braucht eine vitale Anregung, ein reflektiertes Gegenüber, woran sich Erfolg und Scheitern abmessen lassen, ansonsten, auf sich allein gestellt, einsam in seiner Bemühung, eine persönliche Note zu kreieren, kommt es rasch zur inspiratorischen Dürre. So kehrt der Mensch in die anonyme Vielfalt zurück, wird Diener von Kräften, die er nicht beherrscht und die ihn an die Kandare nehmen, und alles dies, damit er nicht in die Nähe der Bestimmtheit kommt, die nicht spaltet und sich korrumpieren läßt. Neid kann wie Zahnweh sein, nur sitzt die Wurzel tiefer, nagt an Herz und Gebein und läßt sich mit moralischem Predigten nicht aus der Welt schaffen. Am Schachuhrwerk machen sich derzeit Garry Kasparow und Anatoli Karpow zu schaffen. Beide wollen die Zeit nach ihrem Gusto beeinflussen. Denn ist nicht Zeit der Zunder für allen Neid? Wie sagte es Aristoteles: "In dem Staat, in dem die Guten keine Vorteile haben wollen und die Schlechten keine Vorteile haben können, herrschen Friede und Eintracht." Jedenfalls herrschen im heutigen Rätsel der Sphinx alles andere als Wohlwollen und Mitgefühl. Ganz im Gegenteil hatte Karpow seinen Rivalen aus Baku ins Spinnennetz gelockt und machte sich nach Kasparows letztem Zug 1...Ld5-b3 daran, der schwarzen Stellung das Mark auszusaugen. Also, Wanderer, erkennst du das Spinnenbein?



SCHACH-SPHINX/05517: Kein Ende mit dem Neid (SB)

Karpow - Kasparow
Moskau 1984

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Das Lob vieler Kritiker war Boris Spassky sicher, als er mit 1...Df6- f3!! einen glänzenden Schlußstrich unter seine Partie gegen Andruet zog. Letzterer gab nach einigem Kopfgrübeln auf, denn nach 2.g2xf3 Se5xf3+ 3.Kg1-h1 Ld7-h3 hätte er einem undeckbaren Matt gegenüber gestanden.


Erstveröffentlichung am 17. Juli 2002

26. Juni 2015


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