Über ein Racheschach in hoffnungsloser Stellung schmunzelt man für gewöhnlich, denn in der Regel gibt der Schachspieler danach auf. Ein Dauerschach ist da schon effektiver, immerhin teilt man damit den Sieg in zwei gleiche Hälften. Aber wie ist nun folgende Losung zu verstehen: "Gib immer ein Schach, es könnte ein Matt sein." Stirnrunzeln im ersten Augenblick, doch bereits beim zweiten stiehlt sich ein Lächeln über das Gesicht. Ja, daran sei etwas Wahres dran, so der über die Jahre weise gewordene Spieler, wer weiß schon, was der nächste Zug an Überraschungen bringt. Schließlich könnte der Gegenspieler auch fehlgreifen, beispielsweise mit seinem König ein Feld betreten, das ihm zum Verhängnis wird. Schadet es also nicht, Schach nach Belieben zu geben? Allerdings muß man einen Fehler als solchen erst einmal nachweisen können, aber solange man Schach gibt, hält man die Initiative in Händen. So einfach geht das Uhrwerk der Gedanken. Daß man auch ohne ein einziges Schachgebot gewinnen kann, das bewies jedenfalls der jugoslawische Großmeister Svetozar Gligoric mit den schwarzen Steinen in seiner Partie gegen Medina, der mit seinem letzten Zug 1.De3-a7? einer groben Augenwischerei zum Opfer fiel. Nicht nur, daß die weiße Dame auf a7 weniger als nichts leistete. Sie geriet zudem in ein feinmaschiges Fangnetz. Nun, Wanderer, eine Damenbeute reicht zum Sieg, da braucht man kein Schach- und-Matt-Geflüster. Aber wie wirft man ein Netz über die weiße Dame im heutigen Rätsel der Sphinx?
Medina - Gligoric
Palma de Mallorca 1967
Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Pragmatismus ist die halbe Miete, den Rest zahlt die Intuition.
Jedenfalls brauchte die georgische Meisterin Nana Joseliani nichts
weiter zu tun, als mit 1.Df6xg7+!! die Siegesglocken zu läuten, denn
ihre Gegnerin Galliamowa gab augenblicklich auf. Der Grund ist einfach
zu durchschauen: 1...Tg8xg7 2.Td1-d8+ Tg7-g8 3.Td8xg8+ Kh8xg8 4.Sf5-
e7+
Erstveröffentlichung am 16. März 2002
20. Februar 2015
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