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SCHACH-SPHINX/05370: Fedorowicz' Mißgeschick (SB)


Auch der dümmste Teufel wird wissen, daß jede Handlung auf Erden noch etwas Hintergründiges verbirgt. Was also ist die Hintergründigkeit des Schachspiels? Der russische Schriftsteller Leo Tolstoj formulierte es folgendermaßen: "Ich bedauere jeden, der das Schachspiel nicht kennt. Bringt es schon dem Lernenden Freude, so führt es den Kenner zu hohem Genuß." Seine von der Gehetztheit des Lebens tiefe Wunden tragende Seele erkannte durchaus die versteckte Dämonie im Schachspiel. Anders als in jedem anderen Spiel investiert sich der Schachspieler darin mit Haut und Haar. Was auf dem Brette in den Manifestationen verschiedener Aufstellungen und Aufmärsche ins Dasein drängt, ist mehr, als bornierte Materialisten darin sehen wollen. So ist das Schach eben nicht nur eine Aneinanderreihung seelenloser Züge, Ausdruck bloß mehr oder weniger trägen Gedankenwälzens. Fast ist es schon wie eine Intimität oder ein sich Beschleichen von Beweggründen, Täuschungen, Lockungen. Auf diese Weise wurden am Schachbrett feste Freundschaften gebunden, aber auch ewige Feindschaften begründet. Der amerikanische Großmeister John Fedorowicz erlitt diese Form des Zerwürfnisses in einer einzigen Partie. In seinem Treffen gegen den russischen Meister Kaidanow setzte er mit den schwarzen Steinen im richtigen Opferstil fort, griff dann jedoch - wie so oft im Leben - fehl und verpaßte den allzu verdienten Sieg. Also, Wanderer, finde den Gewinnweg, um so Fedorowicz' Mißgeschick besser verstehen zu können.



SCHACH-SPHINX/05370: Fedorowicz' Mißgeschick (SB)

Kaidanow - Fedorowicz
USA 1992

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Weiß siegte mit einer grandiosen Folge starker Züge. Vom Lob sollte jedoch auch der Nachziehende ein wenig abbekommen, denn ohne seine hervorragenden Paraden wäre die Nachwelt um eine wirklich schöne Schlußkombination ärmer gewesen. Es geschah also 1.Kh4-g5! mit der Mattdrohung 2.Dh1-h8+. Geschickt konterte Schwarz nun mit 1...Lb3-g8!, um seinen Gegner zu 2.Dh1-h8 zu verlocken, worauf 2...b7-b5! wohl zum Remis ausreichend gewesen wäre. Doch Weiß durchschaute den Trick und zog 2.Dh1-f3! Und wieder fand sein Kontrahent den besten Verteidigungszug: 2...Lg8-f7! Aber er sollte nicht mehr zum Vormarsch seines b-Bauern kommen, denn nach 3.Df3-h3! brach die schwarze Stellung endgültig auseinander. Gegen die beiden Drohungen 4.Dh3-h8+ und 4.Dh3-c8# gab es keine Riposte mehr.


Erstveröffentlichung am 23. Februar 2002

30. Januar 2015





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