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SCHACH-SPHINX/05312: Abstraktion des Blutvergießens (SB)


Einige Geschichtsforscher vermuteten die Anfänge des Schachspiels im Bereich der religiös-ethischen Motive. Insofern die alten Kulturen von der Religiösität in einem ungleich stärkeren Maße als heute dominiert wurden, liegt dieser These sicherlich ein denkbares Fundament zugrunde. Im kritischen Sinne muß man jedoch annehmen, daß erst mit der Popularisierung des Schachspiels jene religiösen Kräfte geweckt und mobilisiert wurden. Der Schachhistoriker van der Linde knüpfte diesen Gedanken an die buddhistische Heilslehre: "Wollte man das friedliche Kriegsspiel als eine buddhistische Erfindung hinstellen, so ließe sich die Hypothese nach der Weise der Konjekturalgeschichtsschreibung außerordentlich mundgerecht machen. Ich deute nur Folgendes an. In dem unbedingten Verbot des Blutvergießens begreift der Buddhismus auch das Verbot des Krieges schlechthin, des Verteidigungs-, wie des Eroberungskrieges, des gerechten, wie des ungerechten. Könige, welche an demselben Wohlgefallen finden, ehrgeizige Eroberer, blutige Tyrannen u.s.w. verfallen, gleich den Mördern der Heiligen, den Vater- und Muttermördern, der schrecklichsten, tiefsten der acht großen Gluthöllen. So wäre das friedliche Kriegsspiel eine buddhistische Parallele zu der Verheißung des jüdischen Propheten, daß die Schwerter zu Sicheln u.s.w. werden sollen. Seit dem Anfange des 6. Jahrhunderts flüchten Buddhisten wegen Bedrückungen seitens des wieder zum Sieg gelangenden Brahmanentums aus Indien nach Persien." In Persien wiederum fächerten die das Land erobernden Araber diesen Gedanken zu einem literarischen Erbauungsbuch aus, darin der König bzw. Schah oder Scheich das Schachspiel erlernt, um weise zu herrschen. So gesehen wäre die Religiosität nur der Seitenpfad, den das Schach genommen hat, und ein unerläßlicher dazu, um sich über die Geschichte zu erhalten. Aber nun genug der Geschichtsduselei. In der Partie zwischen Palmer und Storer hatte der schwarze König mit ganz anderen, viel existentielleren Problemen zu kämpfen, denen er jedoch zuletzt unterlag. Löse und binde, Wanderer, das heutige Rätsel der Sphinx: Im weißen Knoten steckt ein Matt!



SCHACH-SPHINX/05312: Abstraktion des Blutvergießens (SB)

Palmer - Storer
Manchester 1894

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der schwarze König wurde ein Opfer der langen Diagonalen b1-h7 und der verdeckten e-Linie, denn nach 1.Dd3-h7+ Kg8-f8 2.Dh7-h8+ Kf8-e7 erzwang das Springeropfer 3.Sd4-f5+! die Öffnung der Turmlinie und nach 3...e6xd5 das Doppelabzugsschach 3.Le3-c5# mit hübscher Mattfolge, trotzdem beide Figuren hängen.


Erstveröffentlichung am 29. Dezember 2001

03. Dezember 2014





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