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SCHACH-SPHINX/05295: Vater der Flagellanten (SB)


Petrus Damiani war im 11. Jahrhundert einer der unerbittlichsten Streiter gegen die prallen Bäuche und Unkeuschheit der Kardinäle. Um eine Art von Reformation der geistigen Prinzipien, Werte und Sitten durchzusetzen, ersann er ein streng auf Kasteiung aufgebautes System der Buße. Damit machte er sich zum Vater der Flagellanten. Seine irrwitzige Rechtfertigung dazu entnahm er aus Psalm 150, wo es heißt: "Lobet den Herrn mit Pauken". Für ihn und seine Zeit war es üblich, alles allegorisch auszudeuten, und so sah er in der menschlichen Haut jene Pauke, auf die man zur Ehre Gottes losschlagen müsse. Auch über das Schach hatte er eine ziemlich engstirnige Meinung: "Laßt uns auf die Eitelkeit beim Schach eingehen, bei jenem Spiele, auf welches soviel Aufmerksamkeit verwendet wird, als sollten die Spieler großen Vorteil aus dem Gewinn erzielen. Was? Hält sich der Sieger nicht sogar eines Lorbeerkranzes für würdig, während derjenige, der verliert, so betroffen wird, als wiederführe ihm etwas sehr Schlimmes. Es wird das Spiel abermals hergerichtet, die Schachsteine werden beiderseits aufgestellt und die Fußgänger [gemeint sind die Bauern - die Redaktion] kommen wieder aus ihren Plätzen hervor, als sollten sie nun zum ersten Male mit dem Feinde zusammenstossen. Jeder der Spieler sammelt innerlich seine Kräfte und sieht im Ausgang der Partie ein Maß für seine Geistesfähigkeit. Aber indem man den Scharfsinn glücklich zu üben wähnt, stumpft man denselben durch Ermüdung ab. Es zeigen sich Anfälle plötzlichen Unwillens und der verhaltene Ingrimm des gereizten Geistes verrät sich bald durch die Blässe des Antlitzes, dann wieder durch die feurige Röte, mit der das Gesicht erglüht. Oft kommt es dabei zum Zank und das Spiel wird nicht zu einem ernsten Geschäfte erhoben, sondern zum Gegenstand des Streites erniedrigt. Wie viele tausend Seelen wurden nicht in den Tod gesandt, in Folge jener Partie, bei welcher Reginald, der Sohn Heymunds, am Brett einen edlen Ritter, mit dem er spielte, im Schlosse Karls des Grossen mit einem Schachstein tötete." Meister Drescher zettelte im heutigen Rätsel der Sphinx keinen Krieg der Gegensätze an, als er mit den weißen Steinen seinem Kontrahenten Haarer eine Niederlage bereitete. Auch erschlug er ihn nur auf dem Brette symbolisch. Ganz so einfach war die Sache jedoch nicht gewesen. Das unmittelbare 1.Df7-h5+ Kh8-g8 2.Dh5-h7+ Kg8- f8 3.Dh7-h8+ Se7-g8 hätte ihm nämlich nichts eingebracht. Also, Wanderer, mit welchem Glanzzug packte Drescher den schwarzen König an der Gurgel?



SCHACH-SPHINX/05295: Vater der Flagellanten (SB)

Drescher - Haarer
Frankfurt 1923

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Zwar waren je ein weißer und ein schwarzer Läufer bedroht, der junge Ivan Sokolov war jedoch clever genug, mittels 1.d4-d5! eine weitere schwarze Figur zu attackieren. 1...Td6xf6 hätte nach 2.d5xc6 Lh3-g4 3.c6xb7 ein totes Endspiel für Schwarz ergeben. Also versuchte Meister Abramovic noch 1...Sc6-a5, aber nach 2.Lf6-e7 Tc8xc1 3.Td1xc1 gab er sich doch geschlagen, weil er Figurenverlust nicht vermeiden konnte: 3...Td6-d7 4.Tc1-c8+ usw.


Erstveröffentlichung am 15. Dezember 2001

16. November 2014





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