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SCHACH-SPHINX/05062: Unendliches Gedankenmeer (SB)


Manches von dem, woran Schachspieler in ihren Gedanken denken, hat mit dem Brett und der darauf in wechselnden Konturen einem unbekannten Ziele hinstrebenden Stellung nichts zu tun. Plötzlich tauchen Erinnerungen aus einer vergessenen Dämmerung auf, reiten wie Gespensterheere auf den Gedanken, lärmen, rufen Unverständliches und verschwinden dann wieder hinter irgendeiner Biegung. Bilder von Tagesfetzen, Worte, von irgend jemandem gesprochen, die in einen verschwommenen Zusammenhang zur Wirklichkeit stehen, durchqueren die Stille im Kopf. Ein Schachmeister grübelt, heißt es dann, er sinnt nach. Ein Glück, daß der Kopf keine Guckfenster hat, erschrocken würde jeder Kiebitz davor zurückschrecken. Konzentration wird für gewöhnlich mit einer krausen Stirn verwechselt, Hingabe an die Stellung mit abschweifenden Überlegungen. Mal hierin, mal dorthin eilt der Blick, nirgends einen Ruhepunkt findend. Jeder Schachspieler hat sich ein Sortiment von Strategien zurechtgelegt, um dieser Unzulänglichkeit zu begegnen. Aufstehen und umherwandern ist für manche eine helfende Arznei. Andere heften ihre Blicke an irgendeine Figur, die völlig unerheblich ist für den zu bedenkenden Plan. Aber auch dies hilft. Schachspieler müssen imaginieren und im Geiste zusammenstückeln, was auf dem Brett sich jeder Bewegung widersetzt. Dann jedoch scheint der Gedanke zu erwachen, die Hand greift nach der Figur, zögert noch einen letzten Augenblick, dann ist der Zug getan. Alles, was nicht gesehen worden ist, heißt hinterher blinder Zufall. Auch Schachspieler sind vernünftig in ihrem Aberglauben! Einen recht langen Blick warf der norwegische Meister Liabotro im heutigen Rätsel der Sphinx auf die Diagrammstellung. Die schwarzen Steine kreisten vor seinen Augen, hierin, dorthin, ja, ganz allmählich machten die losen Gedanken einen Sinn und schon stahl sich ein feines Lächeln auf sein Gesicht. Er hatte den Zufall besiegt und gebrochen! Kannst du die Wirrnis dieser Worte enträtseln, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05062: Unendliches Gedankenmeer (SB)

Saevareid - Liabotro
Norwegen 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Karpow kontra Larsen - ein Streit gegensätzlicher Charaktere. Der eine tiefbesonnen, fast schon brunnentief versunken, der andere ein Hasardeur mit funkelndem Blick - beide darin Meister ihres Fachs. Doch in Tilburg 1982 war es Karpow, der den Sieg davontrug. Schließlich konnte er mit 1.Sh4-f5! eine Gasse freiräumen zum schwarzen König. Der Springer mußte genommen werden wegen der fürchterlichen Drohung 2.Sf5- d6. Doch nach 1...e6xf5 2.Tg3-e3+ Ke8-f8 3.Dc6-d6+ Kf8-g8 4.Te3-g3+ Kg8-h7 5.Tc7-c1! war die Reise der schwarzen Majestät auch schon zu Ende, denn gegen die Mattdrohung 6.Tc1-h1+ war keine sinnvolle Verteidigung möglich: 5...Df7-h5 6.Dd6-e7+


Erstveröffentlichung am 15. Juni 2001

28. März 2014





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