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SCHACH-SPHINX/04979: Tröpfchen Gift und Ironie (SB)


Für die meisten Schachfreunde klingt der Name Neuromantische Schachschule, die in den 20er Jahren gegründet wurde, allzu possenhaft. Ein Wort mit vielen Ösen und Schnörkeln! schmunzelt der Kritikus. Schon zu Zeiten, als sich diese Schule mit ihrer Neuprägung alter Vorbilder und Denkmuster ins Schachdasein hineindrängte, traf sie auf Ablehnung, zuweilen gar auf Spott und unverständliches Kopfschütteln. Glücklicherweise hatte sie im österreichischen Meister S.G. Tartakower einen Befürworter, der sich auch aufs Schreiben verstand. Ein Tröpfchen Gift und Ironie war fast allen seinen Werken beigemischt. Er verstand es vortrefflich, mit der Feder wie mit einem Degen zuzustoßen, zu parieren, zu wirbeln, zu stechen und zu hieben und dabei zuletzt noch eine gute Figur abzugeben. Aber hören wir ihn selbst! Ganz köstlich durchkreuzte er im Vorwort zu seinem Büchlein "Das neuromantische Schach" die Anfeindungsversuche gewisser Zeitgenossen: "Besonders kennzeichnend für den Erfolg des neuen schachlichen Strebens sind dabei die spieltechnischen sowie psychologischen Ableugnungsversuche der ganzen Bewegung, die von verschiedenen, mehr oder wenger berufenen Seiten unternommen wurden. Nehmen wir z.B. ein umfangreiches Elaborat, das vom Altmeister Carlo Salvioli in 'L'Italia Scacchistica' (Februarnummer 1926) veröffentlicht wurde. Ganz ohne Berechtigung werden dort vor allem die Schachmodernisten als Usurpatoren fremder (älterer!) Geistesgüter geschildert, statt daß schon die Benennung 'neuromantisch' dem geschätzten Opponenten zeigen sollte, daß man sich keineswegs außerhalb des historischen Zusammenhanges stellt, sondern daß man sich gerade im Gegenteil an das frühere Musterschach anlehnt, sei es in der Art, daß man die frühere Schachromantik neu belebt, oder aber daß man verschiedenen, bereits früher gespielten (meistens jedoch seitdem verworfenen!) Varianten neue, romantische Seiten abzugewinnen versteht!" Romantischen Spürsinn bewies jedenfalls auch der argentinische Altmeister Miguel Najdorf mit den schwarzen Steinen im heutigen Rätsel der Sphinx, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/04979: Tröpfchen Gift und Ironie (SB)

Loiterstein - Najdorf
Mar del Plata 1994

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der zu ersticken drohende schwarze König mußte auf dem Feld h8 nicht lange auf seine Erlösung harren, denn Meister de la Paz konnte mit zwei wuchtigen Schlägen eine gewaltige Bresche in die schwarze Zwingburg schlagen, beginnend mit 1.Sf6xh7! Gegen das drohende Abzugsschach gab es keine Alternative, aber nach 1...Lg6xf7 zwang 2.Te1-e8! Meister Pujols zur Aufgabe. Schlüge die schwarze Dame den Turm, würde ein zweizügiges Matt folgen: 2...Dd8xe8 3.Dh6-f6+ Tg8-g7 4.Df6xg7# Rettet sie sich, kostet es dem König dennoch den Kopf: 2...Dd8-h4 3.Dh6-g7#


Erstveröffentlichung am 20. Mai 2001

04. Januar 2014





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