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SCHACH-SPHINX/04689: Morphys unvergänglicher Stern (SB)


Selten hat das Auftreten eines Schachmeisters den geordneten Lauf der Ereignisse so durcheinandergebracht, in den Medien die Tagespunkte so verschoben und neue Prioritäten gesetzt wie der Komet namens Paul Morphy. Seine Leuchtkraft überstrahlte den Himmel, ließ alle anderen Geschehnisse verblassen, sei es in Politik, Kunst oder gesellschaftlichem Tratsch. Erklären läßt sich der Steppenbrand des Interesses am jungen Amerikaner aus New Orleans mit gewöhnlichen Kriterien nicht. Morphy war viel zu bescheiden im Erscheinungsbild, höflich, zuvorkommend, gebildet, als daß er, wie es heutzutage leider zur Regel geworden ist, Aufsehen hätte erregen müssen mit plumper Anbiederei oder großschnäuzigen Bemerkungen. Vielleicht war es auch gerade diese Abkehr von selbstsüchtigen Darbietungen, die ihn so hinreißend machte. Dem Charme seiner Schlichtheit konnte man sich einfach nicht verweigern. Er war im wahrsten Sinn des Wortes tatsächlich unverdorben, ein Mensch, der keine Eigenheiten an sich duldete, weil er sich nur der Kunst verpflichtet fühlte. Gustav Reichhelm erinnerte sich 1882 aus amerikanischer Sicht an die flammende Erscheinung Morphys: "Als Morphy 1858 nach Europa reiste, las man seinen Namen in großen Lettern in der ersten Spalte jeder Zeitung. Ich ging damals noch zur Schule und wer von uns am besten die Einzelheiten über Morphys Wettkämpfe und Siege erklären konnte, stand im Mittelpunkt des Interesses. Jeder europäische Dampfer brachte neue Nachrichten von großen Schachtriumphen; man hörte Morphys Namen im Bus, auf dem Broadway, in den Theaterfoyers, in Hotels und auf den Straßen. Während die Erfolge amerikanischer Pferde auf englischen und französischen Rennplätzen das Publikum vielleicht eine Woche lang beschäftigten, waren die Siege von Morphy Monate hindurch Tagesgespräch, und die Kunde von jedem weiteren Erfolg erhöhte die ständig wachsenden Begeisterung." Im heutigen Rätsel der Sphinx glänzte Morphys Genie nach nur acht Zügen in der Partie gegen den seinerzeit wohl särksten europäischen Schachmeister Adolf Anderssen hervor. Der Breslauer hatte zuletzt 1...f5-f4 gespielt und so das folgende Feuerwerk unbedacht entzündet, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/04689: Morphys unvergänglicher Stern (SB)

Morphy - Anderssen
Paris 1858

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Nach 1...Tc8-c2! legte Labourdonnais die Mattschlinge aus, aus der es nach 2.Kh2-g1 Sf5xe3 3.Tf3xe3 Se4-d2 4.Df1-d3 Tc2-c1+ 5.Kg1-h2 Sd2-f1+ 6.Kh2-h3 Sf1xe3 7.Sg2xe3 Dh5-f3+ 8.Kh3-h2 Tc1-h1# kein Entkommen gab.


Erstveröffentlichung am 13. Februar 2001

20. März 2013





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