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SCHACH-SPHINX/04463: Endspielmaterie mißverstanden (SB)


Von Großmeistern wird eigentlich erwartet, daß sie in allen Phasen der Partie die Übersicht behalten. Man gesteht ihnen allenfalls zu, daß sie in der Eröffnung auf präparierte Neuerungen hereinfallen können/dürfen. Das Zeitlimit erlaubt es ihnen in der Regel nicht, in einer verbesserten Eröffnungsvariante allzu lange nachzudenken. Ausnahmen hat es selbstredend immer wieder gegeben. So ist von Sämisch bekannt, daß er nur deswegen und fast störrischerweise in Zeitnot zu geraten pflegte, weil er kaum einen Zug in der Eröffnungsphase ausführte, von dessen stellungsverbriefter Exaktheit er nicht überzeugt war. Kenner der Endspielmaterie muß jedoch jeder Großmeister sein, ansonsten wäre er seinen Titel nicht wert. Und doch kommt es auch auf höchster Ebene zu haarsträubenden Fehlentscheidungen, ohne daß das Pardon einer Zeitnot in Anspruch genommen werden könnte, wie beispielsweise in der Partie zwischen Anatoli Karpow und Lew Polugajewski aus dem Interpolis-Turnier in Tilburg 1983. Die Endspielstellung im heutigen Rätsel der Sphinx ist remis. Weiß besitzt nur einen symbolischen materiellen Vorteil, der allerdings nie und nimmer zu verwerten ist. Die Kenntnis des Remisweges sollte von Polugajewsky, der die schwarzen Figuren führte, eigentlich vorausgesetzt werden können. Statt dessen beging er jedoch einen dramatischen Fehler, als er sich zu 1...Sc6xa5? 2.Lc7xa5 Kb5xa5 3.Kf3xf4 Ka5-b5 4.Kf4-g5 Kb5-c5 5.Kg5-h6 verleiten ließ. An dieser Stelle gab er auf, weil er um das entscheidende Tempo zu spät gekommen wäre, um den weißen Freibauern aufzuhalten. Also, Wanderer, Endspielmeister müssen Zählmeister sein, oder wie würdest du das Remis sicherstellen?



SCHACH-SPHINX/04463: Endspielmaterie mißverstanden (SB)

Karpow - Polugajewski
Tilburg 1983

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Mit stoischer Beamtenmiene zog Max Euwe 1...Lb7-f3! Gut gedacht, denn der Läufer war nicht zu nehmen: 2.g2xf3 Dh4xh3 3.f3-f4 Ld6xb4 4.De1xb4 Dh4-g4+ nebst 5...Dg4xd1. Keres spielte daher 2.Sb4xa6, wohlwissend, daß er nach 2.Sb4-d3 f7-f5 nebst 3...Tf8-f6 rasch verlieren würde. Aber auch der Bauernraub nützte nichts. Euwe zog 2...f7-f5 3.Lc1-a3 Ld6xa3 4.Ta1xa3 Lf3xd1 und verwertete seinen Materialvorteil im 61. Zug.


Erstveröffentlichung am 02. Dezember 2000

05. August 2012