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INTERNATIONAL/166: Jemen - Bedroht und totgeschwiegen, Homosexuelle müssen Todesstrafe fürchten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. August 2013

Jemen: Bedroht und totgeschwiegen - Homosexuelle müssen Todesstrafe fürchten

von Shuaib Almosawa


Bild: © Luke Somers/IPS

Mitglieder einer Menschenrechtsgruppe in Sanaa
Bild: © Luke Somers/IPS

Sanaa, 28. August (IPS) - Bevor Husam mit einem Freund zu einem Nachtcafé in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa aufbricht, stopft er seine langen Locken in eine Kapuze. "Immer noch nicht gut", sagt der Freund. Husam schiebt noch mehr Strähnen zurück. Dann setzen sich die beiden ins Auto und fahren los. An einem der vielen Kontrollposten müssen sie halten, und ein Polizist leuchtet ihnen mit einer Taschenlampe ins Gesicht.

Der 19-Jährige ist vor etwa einem Jahr endgültig von zu Hause ausgezogen, nachdem er einen Großteil seiner Kindheit quasi unter Hausarrest stand. "Meiner Familie passte mein weibliches Aussehen nicht", sagt er. "Das größte Problem ist nicht das Gesetz, sondern die Haltung der Familien und der Gesellschaft", meint dazu Brian Whitaker, der das Buch 'Unspeakable Love: Gay and Lesbian Life in the Middle East' geschrieben hat.

Schwule haben in der konservativen jemenitischen Gesellschaft keinen Platz. Die Gesetze sehen für Homosexuelle sogar die Todesstrafe vor. Islamistische Extremisten nehmen die Sache selbst in die Hand, indem sie Homosexuelle töten. Mindestens acht junge Jemeniten mussten aus diesem Grund in den vergangenen Monaten sterben. Die Angreifer kamen vermutlich aus den Reihen des Terrornetzwerks 'Al Qaeda auf der Arabischen Halbinsel' (AQAP). In den meisten Gebieten im Süden des Jemen zwingen die Islamisten der Bevölkerung ihre Gesetze auf.


Polizei wird nicht aktiv

Ein Sicherheitsbeamter in der Provinz Lahij, etwa 350 Kilometer südöstlich von Sanaa, bestätigt die kürzliche Ermordung von drei jungen Männern durch die AQAP. Die Familien der homosexuellen Opfer hätten die Polizei um Hilfe gerufen, die allerdings nicht reagiert habe. Der Beamte berichtete von ähnlichen Verbrechen im vergangenen Jahr.

Das jemenitische Recht wird von der islamischen Scharia dominiert. Nach diesen Prinzipien werde Homosexualität mit 100 Stockschlägen und Haft bis zu einem Jahr bestraft, wenn die Partner ledig seien, erklärt der Schriftsteller Ahmed al-Hasani. Seien sie verheiratet, drohe den Betroffenen die Steinigung.

Lesbische Frauen müssen mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren rechnen. Der UN-Menschenrechtsausschuss und internationale Organisationen wie 'Human Rights Watch' (HRW) und 'Amnesty International' haben daher die jemenitische Regierung aufgefordert, alle Gesetze abzuschaffen, die gleichgeschlechtliche Liebe zu Verbrechen erklären. Wie Letta Tayler von HRW berichtete, habe man sich mit Regierungsvertretern getroffen, die Gesetzesänderungen aber nicht zusagen wollten.

Fouad al-Ghaffari, ein Berater des Ministers für Menschenrechte, verneinte eine Kontaktaufnahme der Menschenrechtsgruppen mit dem Ministerium. Im Jemen gebe es keine Homosexuellen und somit auch keine Festnahmen, erklärte er. IPS liegen jedoch offizielle Berichte vor, in denen von 316 solcher Festnahmen in 18 Provinzen während der vergangenen zwei Jahre die Rede ist.

Kampagnen, die für Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen (LGBT) werben, werden im Jemen als Verbrechen betrachtet. Lokale Aktivisten arbeiten nur im Verborgenen. Unter ihnen ist auch eine 2007 gegründete Gruppe, die über HIV-Risiken aufklären will. Ihren Schätzungen zufolge leben in dem arabischen Land etwa 35.000 HIV-Infizierte. Wie viele Homosexuelle betroffen sind, ist nicht bekannt.

Die Organisation bietet Kurse zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten an und führt auch kostenlose Aids-Tests durch. "Die meisten Schwulen sind überhaupt nicht über die Gesundheitsrisiken im Bilde", sagte ein Vertreter der Gruppe. Viele von ihnen haben noch nie von einem Kondom gehört. Die meisten von ihnen sind Analphabeten."

Viel Mut bewies der 23-jährige Alaa Jarban, als er sich vor einigen Monaten in seinem Blog als Schwuler outete. Der Aktivist, der bei den Unruhen 2011 an vorderster Front dabei war, musste sein Land inzwischen verlassen und sucht nun politisches Asyl in Kanada.


Stärkung der Schwulenrechte in neuer Verfassung unwahrscheinlich

"Ich ärgere mich über die institutionalisierte Gewalt gegen uns", schrieb er in dem Blog. "Ich bin wütend darüber, dass ich von Fremden zum Tod verdammt werde, von denjenigen, die an der Macht sind." Auch wenn sein Bekenntnis viele feindselige Kommentare provoziert habe, könnten dadurch aber Tabus abgebaut werden, meint Whitaker.

Aktivisten hoffen nun, dass die während der zweijährigen Übergangszeit ausgearbeitete neue Verfassung auch einige Menschenrechtsklauseln enthalten wird. Der Ausschuss, der sich mit Menschenrechtsgesetzen befasst, erklärte jedoch, dass die Situation von Homosexuellen bisher nicht zur Diskussion stand. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.hrw.org/middle-eastn-africa/yemen
http://www.amnesty.org/en/region/yemen
http://www.ipsnews.net/2013/08/no-place-for-gays-in-yemen/

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IPS-Tagesdienst vom 28. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2013