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INTERNATIONAL/161: Polen - Importierte Folter eine schwere Bürde (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Juli 2013

Polen: Importierte Folter eine schwere Bürde - Bei Ermittlungen über CIA-Geheimkerker kein Ende in Sicht

Von Robert Stefanicki


Bild: Amnesty International/Christoph Koettl/CC by 2.0

In Polen gibt es ein geheimes CIA-Gefängnis
Bild: Amnesty International/Christoph Koettl/CC by 2.0

Warschau, 23. Juli (IPS) - Mücken, die die seltenen Besucher anfallen, scheinen am 'internationalen Flughafen' von Szymany in der polnischen Region Masuren die einzigen Lebewesen zu sein. Das Tor zu dem von Wäldern umgebenen Gelände ist mit einer rostigen Kette und einem Vorhängeschloss gesichert. Vermutlich handelte es sich bei den letzten Passagieren, die hier ausgestiegen sind, um CIA-Offiziere und ihre Gefangenen. Doch muss die Ankunft bereits zehn Jahre zurückliegen, denn kurz darauf wurde der Betrieb auf dem 180 Kilometer nördlich von Warschau gelegenen Airport eingestellt.

Die polnischen Luftverkehrsbehörden, die aufgrund des Gesetzes über Informationsfreiheit Auskunft erteilen müssen, räumen ein, dass in Szymany mindestens elf CIA-Flugzeuge gelandet und einige Passagiere im Land geblieben sind. Die Europäische Organisation für Sicherheit im Luftverkehr (Eurocontrol) war über diese Flüge nicht informiert worden.

Von Szymany aus wurden die Häftlinge zu einer nahe gelegenen Geheimdienstakademie in Stare Kiejkuty gebracht, wo der US-Geheimdienst eine separate Einrichtung unterhielt. 2006, nur wenige Monate nachdem die Existenz eines CIA-Gefängnisses in Polen bekannt geworden war, besuchte der polnische Ombudsmann Janusz Kochanowski das CIA-Gebäude und stellte fest, dass die Zimmer frisch renoviert worden waren.

Wie die 'New York Times' unter Berufung auf einen Informanten aus US-Geheimdienstkreisen berichtete, soll das Gefängnis in Polen der wichtigste geheime Kerker des CIA gewesen sein. Terrorverdächtige seien dort Verhörtechniken unterzogen worden, die in den USA verboten seien. Der Informant erklärte demnach, dass die CIA Polen ausgesucht habe, da die dortigen Geheimdienstoffiziere "bereitwillig kooperieren".

Zwei weitere europäische Staaten mit bekannten, aber bislang offiziell unbestätigten 'schwarzen Orten' sind Rumänien und Litauen. Die übrigen CIA-Geheimgefängnisse befanden sich in Asien und Nordafrika. Menschenrechtsaktivisten gehen davon aus, dass etwa acht Terrorverdächtige in Polen festgehalten wurden, unter ihnen auch Khalid Sheikh Mohammed, der sich selbst als Planer der Anschläge vom 11. September 2001 bezeichnet.

Demütigungen und Scheinerschießungen

Zwei weiteren Männern, die sich derzeit in Guantánamo Bay auf Kuba befinden, wird bei den laufenden Ermittlungen der Status 'geschädigte Personen' gewährt. Bei dem ersten handelt es sich um den Saudi-Araber Abd al-Rahim al-Nashiri, der im Jahr 2000 das Bombenattentat auf das Kriegsschiff 'USS Cole' geplant haben soll. Er erklärte, dass er während der Haft in Stare Kiejkuty oft nackt ausgezogen und gefesselt worden sei. Man habe ihm auch eine Kapuze über den Kopf gezogen und ihn Scheinerschießungen ausgesetzt. Seinen Familienmitgliedern hätten die Peiniger mit sexuellen Übergriffen gedroht.

Der zweite Häftling, ein staatenloser Palästinenser namens Abu Zubaydah, berichtete, ihm seien extreme Schmerzen zugefügt worden und er habe unter psychologischem Druck gestanden. Außerdem sei an ihm die Foltermethode des 'Waterboarding' - simuliertes Ertränken - praktiziert worden.

Jeder führende Politiker Polens, der einem solchen Vorgehen der USA zugestimmt hätte, habe damit gegen die Verfassung verstoßen. Denn er hätte einer fremden Macht die Kontrolle über einen Teil des polnischen Staatsgebiets zugestanden und zugelassen, dass dort Verbrechen begangen worden seien.

Der ehemalige Regierungschef Leszek Miller, inzwischen Vorsitzender des oppositionellen Bunds der Demokratischen Linken, ist als Erster zur Zielscheibe der Kritik geworden. Unter anderem wird gefordert, dass er vor ein Sondergericht kommen soll. Im März 2008 hatten die polnischen Behörden bereits ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet.

"Dies deutet immerhin darauf hin, dass Polen ein Land mit einer Rechtsordnung ist", sagte Senator Jozef Pinior. "Dass sich das Verfahren so lange hinzieht, gibt aber Anlass zur Sorge. In dem Prozess wurde bereits der dritte Staatsanwalt eingesetzt. Es sieht so aus, als würde auf Zeit gespielt."


Miller stark belastet

Pinior, in den 1980er Jahren einer der Führer der Oppositionsbewegung 'Solidarnosc' und später EU-Abgeordneter, fordert seit langem eine umfassende Untersuchung der CIA-Machenschaften in Polen. In dem Verfahren wurde er bereits zwei Mal als Zeuge vorgeladen. Er erklärte, dass er ein auf ein CIA-Gefängnis bezogenes Dokument gesehen hat, dass Millers Unterschrift trug.

"Die polnische Regierung und vor allem Leszek Miller müssen von solchen Orten auf polnischem Territorium gewusst haben, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Es muss auch bekannt gewesen sein, dass dort gefoltert wurde. Polen ist keine Bananenrepublik. Unsere Sicherheitsdienste tun solche Dinge nicht hinter dem Rücken der Regierung."

Noch steht nicht fest, wie viel die polnische Führung tatsächlich von dem 'schwarzen Ort' in Stare Kiejkuty wusste. Einige Mitglieder der Regierung streiten vehement ab, dass es ein solches Gefängnis gegeben hat. Andere geben zwar zu verstehen, dass die Vorwürfe stimmen, lehnen aber jegliche Verantwortung ab.

"Natürlich geschah alles mit meinem Wissen", sagte der frühere Präsident Aleksander Kwasniewski im Interview mit der Zeitung 'Gazeta Wyborcza'. "Der Präsident und der Premierminister stimmten einer Geheimdienstzusammenarbeit mit den US-Amerikanern zu, weil dies im Interesse des Landes erforderlich war. Die Entscheidung, mit der CIA zu kooperieren, barg das Risiko, dass die US-Amerikaner inakzeptable Methoden anwenden würden. Doch würden Sie, wenn ein CIA-Agent einen Gefangenen in einem Marriott-Hotel in Warschau brutal misshandeln würde, dann die Hoteldirektoren dafür verantwortlich machen?"

Polen ist zurzeit das einzige Land, in dem eine Untersuchung über Geheimgefängnisse eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde. Regierungsvertreter führen die Situation auf die mangelhafte Kooperation der USA zurück. In Litauen ist das Verfahren zwar beendet, hat aber kein Ergebnis erbracht. (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/07/imported-torture-haunts-poland/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2013