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INTERNATIONAL/029: Irak - Obama ist für sie ein Held, Schwarze im Irak gesellschaftlich diskriminiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Oktober 2011

Irak: Obama ist für sie ein Held - Schwarze im Irak gesellschaftlich diskriminiert

von Karlos Zurutuza

Schwarze Männer in Basra - Bild: Karlos Zurutuza/IPS

Schwarze Männer in Basra
Bild: Karlos Zurutuza/IPS

Basra, Irak, 20. Oktober (IPS) - "Bevor ich in den Irak geschickt wurde, hätte ich nie gedacht, dass ich dort Menschen treffen würde, die aussehen wie meine Freunde und meine Familie in Buffalo", meint Sergeant William Collins von den US-Marines, der gerade durch Basra patrouilliert. Der Schwarze kam vor vier Monaten in die zweitgrößte irakische Stadt, die im Süden des Landes liegt.

Niemand in seinem Bataillon habe von Afro-Arabern im Irak gewusst, noch nicht einmal Afro-Amerikaner wie er, gibt Collins zu. "Wenn ich arabische Kleidung tragen würde, könnte ich mich hier in den Straßen bewegen, ohne als Ausländer erkannt zu werden", wundert er sich. Wahrscheinlich würde er sich dann wesentlich sicherer fühlen als jetzt, wo er mit Helm und kugelsicherer Weste unterwegs ist.

In Basra und insbesondere im Viertel Zubeir, wo etwa 300.000 Menschen in baufälligen Lehmziegelhäusern wohnen, sind zahlreiche schwarze Iraker zu Haus. Die meisten von ihnen sehen sich als Nachfahren von Sklaven, die seit dem neunten Jahrhundert nach Christus in die Golfregion verschleppt wurden. Viele Gewohnheiten scheinen sich auch in mehr als 1.000 Jahren nicht verändert zu haben.


Noch immer 'Sklaven' genannt

"Die Araber nennen uns immer noch 'abd' (Sklave)", sagt der 46-jährige Amin Tarik. "Zum Glück werden wir nicht angegriffen, aber wir sind in fast jedem Lebensbereich Diskriminierungen ausgesetzt."

Die Schwarzen im Irak sprechen Arabisch und sind Muslime, wie die Mehrheit der Bevölkerung. Obwohl die Sklaverei im 19. Jahrhundert abgeschafft wurde, bleiben ihnen noch immer viele Türen verschlossen.

Der 25-jährige Jihad Hail kann davon ein Lied singen. "Ich verliebte mich in eine weiße Frau und schaffte es sogar, sie trotz aller widrigen Umstände zu heiraten", erzählt er. "Schließlich trennten wir uns aber, weil sie den massiven Druck ihrer Familie nicht mehr aushielt." Inzwischen ist der junge Mann mit einer schwarzen Frau liiert: "Ich habe meine Lektion gelernt."

Gemischte afro-arabische Paare sind auf den Straßen von Basra kaum anzutreffen. Wenn überhaupt, heiraten Frauen schwarze Männer und stehen unter erhöhter Beobachtung der Gesellschaft. "Ich kenne ein gemischtes Paar", sagt Doha Abdulreda, die als Hostess auf einer Messe arbeitet. "Die Frau versteckt sich immer hinter ihrem Gesichtsschleier, wenn sie neben ihrem Ehemann auf der Straße läuft. Ihre Familie hat sie verstoßen - das ist hier nicht ungewöhnlich."

Die Araber betrachten das Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln. "Die Schwarzen waren immer vollständig in unsere Gemeinschaft integriert", meint Said Al Mehdi. "Die vierte Frau meines Großvaters war schwarz, und ich habe ihr immer mit großer Ergebenheit die Hand geküsst." Der 72-Jährige hat sein Haar mit einem grünen Tuch bedeckt, um zu zeigen, dass er ein direkter Nachkomme des Propheten Mohammed ist.

Der Journalist Saad Salloum, der für das Magazin 'Masarat' schreibt, weiß dagegen, dass die Schwarzen im Irak diskriminiert wurden, seit ihr Vorfahren aus Afrika ins Land geholt wurden. "Sie mussten hier Kanäle anlegen und Sümpfe in Baumwoll- und Getreidefelder umwandeln."

Anders als die Christen, die Bahai und andere Minderheiten seien die Schwarzen nicht wegen ihrer Religion verfolgt worden, sagt Salloum. Dafür würden sie auch nicht als Minderheit anerkannt, da dafür religiöse Gründe ausschlaggebend seien.


Siegesfeiern für Obama auf Basras Straßen

US-Präsident Barack Obama ist für viele Schwarze im Irak ein großer Hoffnungsträger. "Wir feierten seinen Sieg 2009 auf der Straße so, als wäre es unser eigener gewesen. Obama hat uns dazu ermutigt, für unsere Rechte zu kämpfen", erinnert sich Salah Ruhais Salman, der Vizepräsident der Irakischen Freiheitsbewegung. Diese Partei setzt sich für die Rechte von Afro-Irakern ein.

Seit der Invasion der US-geführten Truppen 2003 seien die Schwarzen im Irak dazu gezwungen gewesen, sich im Hintergrund zu halten, sagt Salman. "Inzwischen fordern sie aber die Anerkennung als nationale Minderheit und verlangen eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Parlament."

Der Aktivist beklagt, dass von den insgesamt etwa 1,5 Millionen Schwarzen im Land niemand ein höheres Amt in der Verwaltung bekleidet. "In Basra habe ich 2009 gemeinsam mit sieben anderen Schwarzen bei den Kommunalwahlen kandidiert. Obwohl es hier die größte Schwarzengemeinde im Irak gibt, wurde niemand von uns gewählt." Salman ist fest davon überzeugt, dass die Auszählung der Stimmen manipuliert wurde.

In einem im September von 'Wikileaks' verbreiteten Dokument erklärte Ramon Negron, der Leiter der diplomatischen US-Vertretung in Basra, dass die "schwarze Gemeinde unverhältnismäßig unter dem auf Vetternwirtschaft basierenden Regierungssystem leidet". Negron ging davon aus, dass die Stimmen der Schwarzen bei weitem ausreichen würden, um ihnen mindestens einen Sitz im Provinzrat von Basra zu verschaffen. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2011