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STANDPUNKT/054: Die Bischofssynode der katholischen Kirche enttäuschte die Reformer (Gerhard Feldbauer)


Die Bischofssynode der katholischen Kirche enttäuschte die Reformer

Will der Jesuit Franziskus wirklich etwas verändern?

Von Gerhard Feldbauer, 28. Oktober 2015


In Rom ist am Sonntag die Bischofssynode der katholischen Kirche zu Ende gegangen. Rund 450 Kardinäle und Bischöfe, Ordensleute, Theologen und Laien berieten drei Wochen über "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute". Das berührte heikle Fragen wie den Umgang mit Homosexuellenpaaren oder die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion, die bislang nicht erlaubt ist. Der Papst selbst hatte während seiner jüngsten USA-Reise in Washington ein homosexuelles Paar umarmt und damit Hoffnungen geweckt, die Synode könnte hier etwas verändern. Den polnischen Priester Krzysztof Charamsa dürfte das ermutigt haben, sich vor der Synode als Homosexueller zu outen. Der 43-jährige Geistliche, der seit 2003 Mitarbeiter der Glaubenskongregation war und an der Päpstlichen Universität Gregoriana Theologie unterrichtete, wurde sofort von seiner Funktion entbunden.

Franziskus ging auf den Vorfall nicht ein, bekannte sich aber zur Unauflöslichkeit der Ehe, appellierte gleichzeitig an Barmherzigkeit, mahnte Mitleid an und warnte davor, "unnötig streng" zu sein. Die Synodalen rief er zum Dialog auf, zur Fähigkeit, "zuzuhören und sich miteinander auszutauschen".

Viele der versammelten Würdenträger hielten sich nicht daran. Der afrikanische Kardinal Robert Sarah geißelte gleichgeschlechtliche Paare als Verstoß "gegen den Plan Gottes". Wieder verheiratete Geschiedene dürfe die Kirche nicht akzeptieren. Kardinal Ruini trat scharf Gerüchten entgegen, es gebe "eine Schwulenlobby im Vatikan". Wenn es so wäre, müsse man damit "aufräumen". Der 84-jährige Ruini gehörte zu den engsten Mitarbeitern des polnischen Papstes Johannes Paul II. und des deutschen Benedikt XVI. und gilt als Anführer der reaktionären Fraktion im Vatikan, die allen progressiven Gesten Franziskus' entgegentritt. Zu ihr gehört auch der deutsche Kardinal Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation. Aus diesem Kreis kam vermutlich eine während der Synode an die Presse lancierte Verleumdung, der Papst sei an einem Hirntumor erkrankt, die umgehend von Vatikansprecher Federico Lombardi dementiert und als "unverantwortlich" zurückgewiesen wurde.

Franziskus kritisiert soziale Auswüchse des Kapitalismus, spricht Befreiungstheologen Lateinamerikas selig, mischt sich in die große Politik ein, mahnt kirchliche Würdenträger zu Bescheidenheit und legt sich mit der Mafia an. Ob er auf der Synode tatsächlich an Grundfesten der katholischen Kirche rütteln wollte, ist nicht ersichtlich geworden. Verbindliche Aussagen sind zu den strittigen Fragen nicht getroffen worden. Von Homosexuellen ist im Abschlussdokument keine Rede und Wiederverheiratete bleiben weiter von den Sakramenten ausgeschlossen. Ihnen wird Hoffnung gemacht, ihren Ausschluss im Einzelfall zu prüfen.

Nun sind die Beschlüsse der Synode nur Vorschläge. Der Papst ist nicht an sie gebunden und kann selbst entscheiden. Vatikankenner erwarten hier allenfalls, dass Franziskus weiter Verständnis zeigt, gegen Verurteilungen und für Barmherzigkeit ist und, wie er in seiner Predigt zum Abschluss der Synode sagte, eine "engstirnige Auslegung" des Glaubens kritisiert. Damit versucht er, die Krise seiner Kirche, in die sie seine reaktionären Vorgänger Wojtyla und Ratzinger gestürzt haben, aufzuhalten, den Mitgliederrückgang zu stoppen und die Reformer hoffen zu lassen, dass er doch noch große Veränderungen in Gang setzen werde. Vatikankenner, wie der frühere Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, der aus der Kirche Roms ausgetretene Prof. Hubertus Mynarek, bezweifeln das. Denn, so hält Mynarek in seiner Biografie (Tectum 2015) fest, mit Franziskus ist es "zur Personalunion von Papst und Jesuit" gekommen. Es dürfte mehr als zweifelhaft sein, dass aus diesem erzreaktionären "auf einheitlicher Befehlsgewalt, mit blindem Gehorsam" aufgebauten Orden ein Reformer, ja "ein Revolutionär" hervorgeht.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2015

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