Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → MEINUNGEN

STANDPUNKT/030: Papst Franziskus erkennt Exorzisten-Vereinigung an (Gerhard Feldbauer)


Papst Franziskus erkennt Exorzisten-Vereinigung an

Mittelalterliche Folter erhält obersten Segen der Katholischen Kirche

von Gerhard Feldbauer, 5. Juli 2014



Wer meinte, die mittelalterliche Teufelsaustreibung (Exorxismus) gebe es heute nicht mehr, wird gerade eines Besseren belehrt. Und zwar durch keinen Geringeren als den Reformpapst genannten Franziskus persönlich. Das päpstliche Hausblatt "Osservatore Romano" teilte am Donnerstag mit, der Vatikanstaat, dem der Papst als kirchliches und staatliches Oberhaupt vorsteht, habe die Internationale Vereinigung der Exorzisten (Aie) offiziell anerkannt. Dem Aie gehören 250 Exorzisten aus 30 Ländern an. Der Vereinsvorsteher, der Italiener Francesco Bamonte, drückte die Hoffnung aus, dass der "oft ausgeblendeten oder unterschätzten" Teufelsbesessenheit nun mehr Beachtung geschenkt werde. Der oberste Teufelsaustreiber hatte die Stirn, den Exorzismus als eine Form der Nächstenliebe zu bezeichnen.


Geistliche der Kirche beraten Teufelsaustreiber

Mit der Anerkennung wird der Exorzisten-Verein eigenes Rechtssubjekt. Auch wenn es heißt, er trete nicht im Namen der Kirche auf, nehmen deren Vertreter seine Aufgaben wahr und ihre Geistlichen beraten die Exorzisten. Dem entspricht auch, wie der "Osservatore Romano" weiter berichtete, dass die klerikale Kongregation (einem Ministerium ähnlich) deren Statuten gebilligt habe. Die eigene Rechtspersönlichkeit des Aie soll offensichtlich die katholische Kirche bzw. ihre Würdenträger bei Konflikten mit der weltlichen Gerichtsbarkeit aus der Schusslinie nehmen. Nach festgelegten liturgischen Instruktionen soll die "Teufelsaustreibung" angeblich in Gebeten und Lesungen aus der Bibel in aller Stille und ohne flackernde Kerzen erfolgen und die "Besessenen" sollen auch nicht schreien, was aber wohl meist nicht so abläuft. Denn beim Exorzismus werden die Opfer heute zwar nicht mehr wie im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen verbrannt, können aber dennoch zu Tode kommen. Wie oft das der Fall ist, liegt im Dunklen.


Tod nach Exorzisten-Ritualen

Bekannt wurde, dass am 1. Juli 1976 in Klingenberg am Main die 22jährige Studentin Anneliese Michel, die dämonischer Besessenheit beschuldigt wurde, nach mehrere Monate dauernden Exorzismus-Ritualen, nach denen sie noch 31 Kilo wog, an Entkräftung starb. In den Fall war der Vorgänger Papst Franziskus, Josef Ratzinger verwickelt. Der damalige Theologie-Professor galt als ein fanatischer Einpeitscher der Teufelsaustreibung und hatte das Exorzistenteam beraten. Die Exorzisten selbst wurden der fahrlässigen Tötung wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt und zu Bewährungsstrafen verurteilt.


Ratzinger-Papst forderte "weitermachen"

Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Josef Höffner, stellte sich schützend vor die Teufelsaustreiber und erklärte, dass eine dämonische Besessenheit möglich sei. Ratzinger nutzte seine Macht als Pontifex schon kurz nach seinem Amtsantritt 2005, um die Exorzisten aufzufordern "weiterzumachen". Auch Papst Franziskus belehrte die Gläubigen schon öfters: "Wer nicht zu Gott betet, betet den Teufel an".


Auch Neokatechumenaler Weg anerkannt

Auf entschiedene Proteste war unter Kritikern des reaktionären im Mittelalter verhafteten Kurses des Ratzinger-Papstes bereits gestoßen, als dieser 2008 die konservative und papstergebene Gemeinschaft "Neokatechumenaler Weg" offiziell anerkannte. Die 1964 in Spanien gegründete heute weltweit agierende Betgemeinschaft unterhält zahlreiche Priesterseminare, die den Weg zurück zu den Ursprüngen der katholischen Kirche predigen, worunter der Ausgangspunkt bei Kirchenvater Ciprian verstanden wird. Unter diesem Bischof von Karthago (263-250) wurde das Katechumenat, die Vorbereitung auf die Taufe, einst vor allem durch die Büßerpraxis vertieft. Die Neokatechumenalen fordern ein Leben "in Demut, Einfachheit und Lob des Herrn" und wollen aus ihren Reihen vor allem Gläubige für die Priesterweihe gewinnen. Selbstredend sind sie fanatische Anhänger des Exorzismus. Nach seiner Papstwahl rief Ratzinger auf, die Gemeinden des "Neokatechumenalen Weges " stärker in die Pfarrgemeinden zu integrieren.


Zieht Opus Dei die Fäden?

Dennoch fragen Vatikankenner in Rom, ob der auf einen gemäßigten Kurs der Kurie setzende Franziskus, der damit die katholische Kirche aus ihrer tiefen Krise führen will, jetzt aus eigenem Entschluss den Verein der Teufelsaustreiber anerkannt hat oder ob hier wieder einmal Opus Dei die Fäden zieht. Denn an der von seinem Vorgänger Ratzinger geförderten beherrschenden Stellung des Gotteswerkes im Vatikan hat sich bisher nichts geändert. So hat (oder musste) Franziskus auch die zentrale Figur des Clans von Opus Dei, den Kurien-Erzbischof Dr. Georg Gänsewein, als Privatsekretär und Präfekt des Päpstlichen Haushalts übernehmen. Während bei manchen Gotteswerkern die Herkunft verhüllt bleibt, ist sie bei Gänsewein, der zum Lehrkörper der römischen Opus Dei-Universität gehört, vatikanbekannt und das scheint fast Absicht zu sein, um dem neuen Papst zu zeigen, wer das Sagen hat. So ist es in Rom auch kein Geheimnis, dass der Don Giorgio genannte Gänsewein weiter täglich enge Kontakte zu dem früheren erzreaktionären Ratzinger-Papst pflegt, der auch nach seinem Rücktritt das Geschehen hinter den Mauern des Vatikans mitbestimmen soll.

*

Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2014