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KIRCHE/1929: "Heute eint uns mehr, als uns trennt" (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Mitteilung vom 1. November 2016

"Heute eint uns mehr, als uns trennt", sagen katholische und lutherische Gläubige auf dem gemeinsamen Reformationsgedenken

Deutsche Fassung veröffentlicht am: 02. November 2016

Von Stephen Brown


Während eines gemeinsamen Gottesdienstes in der schwedischen Stadt Lund fast 500 Jahre nach der lutherischen Reformation haben die katholischen und lutherischen Gläubigen um Vergebung für die Spaltungen und Konflikte der Vergangenheit gebeten und gelobt, ihre Gemeinschaft und ihren Dienst in der Welt zu vertiefen.

Papst Franziskus hat gemeinsam mit dem Präsidenten und dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Munib Younan und Pastor Martin Junge, am 31. Oktober den Gottesdienst im Dom zu Lund gefeiert. An diesem Tag begann 1517 die Geschichte der Reformation.

Rund 500 Menschen hatten sich im Dom versammelt und hörten eine gemeinsame Predigt auf Spanisch von Papst Franziskus und dem LWB-Generalsekretär.

"Als katholische und lutherische Gemeinschaft haben wir uns auf einen gemeinsamen Weg der Versöhnung begeben", sagte Papst Franziskus. "Jetzt haben wir im Kontext des Gedenkens an die Reformation 1517 eine neue Gelegenheit, einen gemeinsamen Weg anzunehmen."

Der Papst forderte die katholische und die lutherische Kirche nachdrücklich auf, sich "nicht mit der Teilung und der Entfremdung abzufinden, die unsere Spaltung zwischen uns hat entstehen lassen." Es gebe vielmehr, so der Papst, die Möglichkeit, "einen kritischen Moment unserer Geschichte zu korrigieren, indem wir die Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten überwinden, die uns oftmals davon abgehalten haben, einander zu verstehen."

Später erklärte er: "Mit Dankbarkeit erkennen wir an, dass die Reformation die Heilige Schrift wieder stärker in den Mittelpunkt des kirchlichen Lebens gestellt hat."

Der LWB-Generaldirektor forderte die katholischen und lutherischen Gläubigen nachdrücklich auf, "eine Vergangenheit hinter sich zu lassen, die von Konflikten und Spaltung bestimmt war, und auf dem Weg der Gemeinschaft voranzuschreiten."

"Heute eint uns mehr, als uns trennt", sagte Junge mit Blick auf die katholische und lutherische Gemeinschaft. "Wir sind eins in der Taufe. Deshalb haben wir uns hier zum gemeinsamen Reformationsgedenken versammelt - um wiederzuentdecken, wer wir in Christus sind."

Unter dem Motto "Vom Konflikt zur Gemeinschaft - Verbunden in Hoffnung" ist das erste gemeinsame katholische-lutherische Reformationsgedenken auf globaler Ebene das Ergebnis eines seit 50 Jahre anhaltenden Dialogs zwischen der katholischen Kirche und dem LWB.

"Auf diesem Weg sind gegenseitiges Verständnis und Vertrauen gewachsen", sagte Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land in seiner Begrüßungsansprache vor dem Gottesdienst.

Es gab spontanen Applaus, als Papst Franziskus und Bischof Younan später ein Gemeinsames Wort unterzeichneten, mit dem sich die katholische und die lutherische Kirche dazu verpflichten, ihre Gemeinschaft zu vertiefen und gemeinsam Zeugnis für Gerechtigkeit abzulegen.

"Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber an was wir uns erinnern und wie wir uns erinnern, ist wandelbar", heißt es in der Erklärung. "Wir beten für die Heilung unserer Wunden und der Erinnerungen, die unseren Blick auf den jeweils anderen verschatten. Wir lehnen nachdrücklich jede Form von Hass und Gewalt ab, sei es in der Vergangenheit oder in der Gegenwart. Das gilt besonders dann, wenn sie im Namen der Religion begründet werden."

VertreterInnen anderer christlicher Weltgemeinschaften und ökumenischer Einrichtungen wie der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) haben an dem Gottesdienst teilgenommen. Nach Aussage der Organisatoren war dies ein Zeichen dafür, dass der Fortschritt zwischen der katholischen und der lutherischen Kirche nicht isoliert von den zahlreichen anderen ökumenischen Beziehungen dieser Institutionen stattfinden kann.

"Dies ist ein Ereignis für die gesamte ökumenische Familie und zeigt, dass es Wege in die Zukunft gibt, die andere motivieren können", sagte ÖRK-Generalsekretär Pastor Dr. Olaf Fykse Tveit, ein Lutheraner aus Norwegen, vor dem Gottesdienst.

Er pries das gemeinsame Reformationsgedenken als ein Beispiel für die gegenseitige Rechenschaftspflicht der Kirchen.

Der Leiter der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, Pastor Dr. Odair Pedroso Mateus, wies auf die Aufgabe eines vertieften Dialogs zwischen den Kirchen über vergangene Spaltungen hin, da wir uns gemeinsam den wachsenden Herausforderungen eines Zeugnisses in der heutigen Welt stellen müssen.

"In diesem größeren Kontext ist ein gemeinsames Reformationsgedenken für sich bereits ein großer Fortschritt", sagte Mateus.

Nach dem Gottesdienst im Dom zu Lund fand in der Malmö-Arena nicht weit vom Dom eine öffentliche Veranstaltung statt, auf der Papst Franziskus und Bischof Younan auf das Zeugnis von katholischen und lutherischen Fürsprechenden für soziale Gerechtigkeit und Maßnahmen gegen den Klimawandel aus Burundi, Kolumbien, Indien, Südsudan und Syrien antworteten. Auf dieser Veranstaltung unterzeichneten die LWB-Abteilung für Weltdienst und die katholische Caritas Internationalis eine Absichtserklärung über eine verstärkte humanitäre Zusammenarbeit beider Organisationen.


Gemeinsames katholisches-lutherisches Gedenken der Reformation:
(http://www.lund2016.net/)

Stephen Brown ist ein freiberuflich arbeitender Journalist.


Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK inzwischen 348 Mitgliedskirchen an, die zusammen über 500 Millionen Christen aus protestantischen, orthodoxen, anglikanischen und anderen Traditionen in mehr als 140 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, von der (lutherischen) Kirche von Norwegen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. November 2016
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2016

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