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KIRCHE/1534: Nikolaus Schneider hält Ratsbericht vor der Synode in Düsseldorf (EKD)


Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 10.11.2013

"Die Heilige Schrift als Maß und Mitte evangelischer Urteilsbildung"

Nikolaus Schneider hält Ratsbericht vor EKD-Synode in Düsseldorf



Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat am heutigen Sonntag vor der 6. Tagung der 11. Synode der EKD seinen Ratsbericht gehalten.

Unter dem Titel "Die Heilige Schrift als Maß und Mitte evangelischer Urteilsbildung" entfaltete Schneider die Bedeutung und den Gebrauch der Bibel in heutiger Zeit. Schneider begann mit der Feststellung: "Alles theologische Nachdenken über Gott und die Welt beginnt und endet mit der Heiligen Schrift, sie ist der Schatz, das Herz, die große Liebe der reformatorischen Kirchen." Er machte deutlich, dass es zum "Kern reformatorischer Einsichten" gehöre "kein Amt und keine Person anzuerkennen, das oder die Gottes Wort in Menschenworten eindeutig und abschließend" zu definieren beanspruche, vielmehr gelte, so der Ratsvorsitzende: "Es ist eine bleibende und immer neue Aufgabe reformatorischer Theologie und kirchlicher Äußerungen, die Schrift durch die Schrift im Diskurs der Glaubenden auszulegen." Auf diesem "kommunikativen Weg" werde der reformatorische Grundsatz "sola scriptura" verwirklicht.

In Bezug auf das seit Sommer 2013 heftig umstrittene Familienpapier des Rates der EKD ("Zwischen Autonomie und Angewiesenheit - Familien als verlässliche Gemeinschaft stärken") stellte Schneider fest: "Es hat keinen Sinn, sich in der Auseinandersetzung um die Orientierungshilfe auf einzelne Bibelstellen zu berufen, ohne hermeneutisch zu reflektieren, was damals konkret gemeint war."

Der Ratsvorsitzende betonte desweiteren die Wertschätzung der evangelischen Kirche für die Ehe und sagte: "Wir machen Mut und Lust zur lebenslangen Ehe und verstehen sie als Leitbild." Gleichzeitig aber spreche man Alleinerziehenden, 'Patchworkfamilien' und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht ab, dass Menschen darin treu, vertrauensvoll, verantwortlich und liebevoll zusammenleben können. Schneider: "Auch in ihnen kann der Segen Gottes erwartet und erfahren werden." Und auch diese Formen familiären Zusammenlebens verdienten kirchliche Wertschätzung und Förderung. Es sei ein Verdienst der EKD-Orientierungshilfe, dass sie dies ausgesprochen und dazu konkrete Vorschläge formuliert habe.

In diesem Zusammenhang dankte Nikolaus Schneider ausdrücklich der Ad-hoc-Kommission, die die Orientierungshilfe für den Rat der EKD erarbeitet hatte. Die Kommission habe mit ihrer Arbeit "für unsere Kirche, für die Diakonie und die Familienverbände" wichtige Impulse gegeben, und viele Menschen haben durch die Orientierungshilfe eine Wertschätzung ihrer Kirche erfahren, die sie bisher vermisst hatten. Die theologische Debatte müsse aber weitergehen, so Schneider. Deshalb habe der Rat der EKD die Kammer für Theologie gebeten, die theologisch-hermeneutischen Grundfragen aufzunehmen und einen Text zum evangelischen Verständnis der Ehe zu erarbeiten.

Der Ratsvorsitzende äußerte sich auch zu den drängenden Problemen der Flüchtlinge international und in Deutschland. Bezugnehmend auf seine ökumenische Besuchsreise zu syrischen Flüchtlingen in Jordanien vor einer Woche appellierte Schneider: "Unsere Botschaft ist klar und einfach. Sie lautet: Schaut auf die Not der Flüchtlinge, gerade angesichts des Winters, und verschließt eure Herzen nicht. Helft im Nahen Osten und in Deutschland denen, die es jetzt wirklich brauchen!"

Daran anknüpfend forderte Nikolaus Schneider "ein Umdenken in der Europäischen Flüchtlingspolitik, denn: "Das großartige Friedensprojekt Europa muss seinen Geist auch darin erweisen, dass Humanität den Umgang mit Flüchtlingen bestimmt. Schiffbrüchige zu retten muss zu den Aufgaben von ?Frontex? und ?Eurosur? gehören. Fischer, die Ertrinkende retten, dürfen dafür nicht bestraft werden. Flüchtlingsunterkünfte müssen menschenwürdige Aufnahme garantieren." Außerdem dürfe die Forderung nach Verbesserungen der Lage in den Herkunftsländern nicht zur Ausrede für Abschottungsmaßnahmen werden.

Der Ratsvorsitzende bekräftigte weiter: "Schutzsuchende haben einen Anspruch auf Zugang zu einem fairen und effektiven Asylsystem, auf welchem Weg auch immer sie Europa erreichen" und forderte eine grundlegende Reform des "Dublin-Systems", denn, so Schneider: "Die Verantwortung für Schutzsuchende muss unter den Mitgliedstaaten gerecht verteilt werden." Und bezüglich der Situation an den Europäischen Außengrenzen betonte Schneider schließlich: "Eine ad-hoc-Rückschiebung von auf hoher See aufgegriffenen Migranten ohne das Einräumen eines individualisierten Prüfverfahrens und ohne Rechtsbehelf darf es nicht mehr geben", denn jeder einzelne Flüchtling habe das Recht gehört zu werden, so wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem wegweisenden Urteil postuliert habe.

Düsseldorf, 10. November 2013
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick

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Quelle:
Pressemitteilung 210/2013 vom 10.11.2013
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2013