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KIRCHE/1343: "Die Geißel des Hungers überwinden" - Erklärung der deutschen Bischöfe (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 03.07.2012

"Die Geißel des Hungers überwinden"

Erklärung der deutschen Bischöfe und Studie der Sachverständigengruppe "Weltwirtschaft und Sozialethik" zur Welthungerkrise



Die Nahrungsmittelproduktion ist in den vergangenen 50 Jahren stärker gewachsen als die Weltbevölkerung. Dennoch leiden heute fast eine Milliarde Menschen an chronischem Hunger. Doppelt so viele können sich nicht ausgewogen ernähren. Mit einer heute veröffentlichten Erklärung zur weltweiten Hungerkrise erinnern die deutschen Bischöfe alle Verantwortlichen an ihre Pflicht, den Fehlentwicklungen entschlossen entgegenzuwirken und "das, was offenkundig getan werden kann, auch in Angriff zu nehmen". In ihrer Erklärung mit dem Titel "Die Geißel des Hungers überwinden" greifen die deutschen Bischöfe die Ergebnisse einer neuen Studie ihrer interdisziplinären Sachverständigengruppe "Weltwirtschaft und Sozialethik" auf. Die Studie "Den Hunger bekämpfen. Unsere gemeinsame Verantwortung für das Menschenrecht auf Nahrung" und die Erklärung der deutschen Bischöfe wurden heute auf einer Pressekonferenz in München vom Vorsitzenden der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), und dem Vorsitzenden der Sachverständigengruppe und Präsidenten der Hochschule für Philosophie München, Prof. DDr. Johannes Wallacher, vorgestellt.

Auf der Grundlage einer Analyse der weltweit sich zuspitzenden Ernährungslage und ihrer sozialethischen Bewertung benennt die Studie die Handlungsfelder und die Akteure notwendiger Maßnahmen. In erster Linie sei Hunger nicht die Folge von Missernten und Wetterunbilden, sondern von politischen und ökonomischen Fehlentwicklungen - in den betroffenen Ländern selbst, aber auch auf internationaler Ebene, führte Professor Wallacher aus. Ein wichtiger Aspekt sei eine entwicklungsförderliche Politik der jeweiligen Regierungen und allen voran politische Stabilität. "Despotische Regime, Bürgerkriege und politische Unruhen steigern das Risiko von Hungersnöten beträchtlich", stellte er klar. Doch auch mangelnde Investitionen in die Entwicklung ländlicher Räume und in geeignete Infrastruktur in den meisten Entwicklungsländern sorgten dafür, dass die Mehrzahl dieser Länder heute auf Nahrungsmittelimporte angewiesen ist. Wallacher zufolge sind diese Länder "zunächst selbst gefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die von Hunger bedrohten Menschen auf Dauer ihre Ernährung aus eigener Kraft sichern können". Die Landwirtschaft sei jedoch in starkem Maß von internationalen Abhängigkeiten beeinflusst. Aus diesem Grund müssten auch Deutschland und Europa ihrer Verantwortung gerecht werden. Die sozialethische Mindestforderung an ihre Adresse laute, dass sie "alles unterlassen, was die Chancen der von Hunger bedrohten Menschen verringert, ihr Recht auf Nahrung aus eigener Kraft zu verwirklichen."

Die Reformen, die die deutschen Bischöfe aufgrund dieser Analyse für erforderlich halten, führte Erzbischof Schick aus: "Es ist nicht länger hinnehmbar, dass Exportsubventionen, andere Exportförderungsmaßnahmen wie Exportkredite und zahlreiche handelsverzerrende Unterstützungszahlungen der Nahrungsmittelwirtschaft in den Industrieländern ungerechtfertigte Vorteile verschaffen, die die Produktion in den armen Ländern unwirtschaftlich machen und so die Entwicklungsländer und die dort lebenden Bauern schädigen. Auch wird in der Europäischen Union der Marktzugang für landwirtschaftliche Güter aus Entwicklungsländern immer noch erschwert." Die Bischöfe sprechen sich in ihrer Erklärung außerdem für völkerrechtlich verbindliche Regeln aus, die dafür sorgen, dass die "Landnahme" durch ausländische Investoren in Ländern des Südens nicht zum Nachteil der einheimischen Bevölkerung und zur weiteren Gefährdung ihrer Ernährung ausschlage.

Nachdrücklich wenden sich die deutschen Bischöfe in ihrer Erklärung auch gegen die Förderung von Agrarkraftstoffen, sofern diese zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion geschehe. Stattdessen solle die Forschung im Bereich der "zweiten Generation" von Energiepflanzen vorangetrieben werden, die keine Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion darstellen. Darüber hinaus stellen die Bischöfe in der Erklärung fest, dass die Patentrechte der "Grünen Gentechnik", die sich im Besitz weniger multinationaler Konzerne befinden, nicht dazu führen dürfen, dass Millionen von Bauern in deren Abhängigkeit geraten. Hier bedürfe es internationaler Regulierungen. Weiter dürften die Kosten für den Raubbau an der Natur nicht auf die Gesellschaft und auf die nachkommenden Generationen abgewälzt werden. Der Umweltgebrauch müsse sich in den Erzeugerkosten und Verbraucherpreisen niederschlagen, damit umweltgerechte Produktion lohnend gemacht werde.

Erzbischof Schick sprach sich außerdem für eine höhere Wertschätzung von Lebensmitteln aus. "Wenn wir uns bewusst werden, dass Agrargüter nicht nur eine Ware, sondern Mittel zum Leben sind, werden wir auch nicht zulassen, dass man Lebensmittel als Treibstoff verheizt, auf Finanzmärkten damit spekuliert oder die Entwicklung ländlicher Räume vernachlässigt. Eine größere Wertschätzung von Lebensmitteln und der Umwelt kann wiederum jeden Einzelnen zu einem verantwortungsvollen Konsum von Lebensmitteln motivieren."

Die Studie finden Sie auf unter www.dbk.de unter der Rubrik Veröffentlichungen.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 105 vom 3. Juli 2012
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2012