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STELLUNGNAHME/092: Absichtlicher Angriff auf Kulturgut ist ein Völkerrechtsverbrechen (idw)


Technische Universität Dresden - 21.01.2020

Absichtlicher Angriff auf Kulturgut ist ein Völkerrechtsverbrechen

Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer, UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Professur für Völkerrecht, Recht der EU und Internationale Beziehungen der TU Dresden


"... die iranische Kultur und diese Ziele und der Iran selbst werden sehr schnell und sehr hart getroffen werden."

Mit diesem Tweet drohte US-Präsident Donald Trump am 4. Januar 2020, wichtige kulturelle Ziele im Iran anzugreifen. Der US-amerikanische Außenminister Mike Pompeo versuchte in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC am 5. Januar die Aussage des Präsidenten einzuhegen und erklärte, dass die USA rechtmäßig und innerhalb des Systems handeln würden.

Noch am selben Tag bekräftigte Präsident Trump gegenüber Reportern auf einem Flug in der Air Force 1 hingegen seine Ansicht: "Sie dürfen unsere Leute töten. Sie dürfen unsere Leute foltern und verstümmeln. Es ist ihnen erlaubt, Bomben am Straßenrand zu platzieren und unsere Leute in die Luft zu jagen. Und wir dürfen ihre Kulturstätten nicht anrühren? So funktioniert das nicht."

Diese Ansicht steht weder in Übereinstimmung mit geltendem Völkergewohnheitsrecht (vgl. bereits die Haager Landkriegsordnung 1907) noch mit von den USA ratifizierten universellen Völkerrechtsverträgen. Als Reaktion auf diese unverhohlene Drohung mit einem Völkerrechtsbruch erinnerte UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay bei einem Treffen mit dem iranischen Botschafter Ahmad Jalali am 6. Januar 2020 daran, dass sowohl die USA als auch Iran die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 sowie die Welterbekonvention von 1972 angenommen hätten. In Art. 6 Abs. 3 der Welterbekonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, alle vorsätzlichen Maßnahmen zu unterlassen, "die das ... im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten befindliche Kultur- und Naturerbe mittelbar oder unmittelbar schädigen könnten." Die Generaldirektorin verwies außerdem auf die einstimmig verabschiedete Resolution 2347 (2017) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, welche Akte absichtlicher Zerstörung von Kulturerbe mit Nachdruck verurteilt.

"Dies ist eine Drohung, ein Kriegsverbrechen zu begehen"

Unter VölkerrechtlerInnen besteht darüber hinaus Einigkeit, dass die gezielte Zerstörung von Kulturerbestätten ein Kriegsverbrechen ist. Oona Hathaway, Professorin an der Yale Law School und ehemalige Rechtsberaterin des U.S. Department of Defense, nannte Trumps Drohung daher eine "Drohung ein Kriegsverbrechen zu begehen".

Die absichtliche Zerstörung kultureller Ziele ist zudem nach der Haager Konvention von 1954 völkerrechtlich geächtet. Die USA sind Vertragspartei auch dieses Übereinkommens.

James Cuno, Präsident des J. Paul Getty Trust und Kooperationspartner des UNESCO-Lehrstuhls für Internationale Beziehungen, unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung des Schutzes von Kulturerbe für die Menschheit:

"Das materielle Erbe der Antike ist unser gemeinsames Erbe, die Identität und Inspiration für die gesamte Menschheit. Das kulturelle Erbe hat die Kraft, uns zu vereinen, und ist unerlässlich, um Frieden zu erreichen. Der Schutz und die Bewahrung unseres kulturellen Erbes ist ein Grundwert der zivilisierten Gesellschaften, auch unserer eigenen."

Cuno fährt fort:

"Es ist tragisch, dass es heute überhaupt noch Überlegungen oder rhetorische Drohungen zur weiteren Zerstörung des kulturellen Erbes gibt, besonders wenn das wenige, was in der Welt noch übrig ist, bereits unter mutwilliger Zerstörung, Plünderung, Vernachlässigung, rücksichtsloser Überentwicklung und Klimawandel leidet. Stattdessen sollten wir die Existenz des Kulturerbes feiern, an der Verbesserung des Schutzes und der Stärkung unserer internationalen Gesetze arbeiten und auf ein besser strukturiertes Verständnis der antiken Kulturen der Welt und ihrer Beiträge zu unserer gemeinsamen Erfahrung hinarbeiten."

Selbst wenn Präsident Trump tatsächlich angesichts des internationalen Drucks von dem angedrohten Vorgehen Abstand nähme, so ist es unerlässlich, fest an der Seite all jener zu stehen, die den Schutz von Kulturerbe vor absichtlicher Zerstörung sowie die Einhaltung des Völkerrechts aktiv einfordern.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution143

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Dresden, 21.01.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2020

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