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MELDUNG/394: Anwälte fordern Stopp der Gerichtsschließungen in Mecklenburg-Vorpommern (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 25. August 2015

Anwälte fordern Stopp der Gerichtsschließungen in Mecklenburg-Vorpommern

- Volksentscheid darf nicht von Landesregierung ausgebremst werden -


Schwerin/Berlin (DAV). Vor dem für den 6. September 2015 geplanten Volksentscheid zur Justizreform in Mecklenburg-Vorpommern hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) die Landesregierung in Schwerin aufgefordert, die geplanten massenhaften Gerichtsschließungen in Mecklenburg-Vorpommern zu stoppen. Auf einer Pressekonferenz in Schwerin sagte DAV-Präsident Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg: "Wer Gerichte schließt, entfernt sich vom Bürger".

Zudem warf Schellenberg der Landesregierung vor: "Die Landesregierung tut alles, damit der Volksentscheid ins Leere geht". Dies fängt mit dem kurzfristig anberaumten Termin des Volksentscheids an, der so knapp nach den Sommerferien liegt, dass die Gemeinden nicht genügend Wahlhelfer finden konnten und die Wahlkreise vergrößert werden mussten. "Die Bürgerinnen und Bürger müssen also schon für den Volksentscheid längere Wege auf sich nehmen", ergänzte Rechtsanwalt Martin Lorentz, Vorsitzender des DAV-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern. "Hinzu kommt eine komplizierte Formulierung des Abtimmungszettels, so dass die Bürger "Ja" ankreuzen müssen, um "Stopp zur Reform" zu sagen. Abgesehen davon hat die Landesregierung schon mit den Gerichtsschließungen begonnen, um bis zum Volksentscheid möglichst viele Tatsachen zu schaffen.

"Die angekündigten Zweigstellen, die als "Ausgleich" geschaffen werden, sind Feigenblätter", berichtete Rechtsanwalt Lorentz weiter - und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen inhaltlich: Bis auf die Zweigstelle in Bergen ist keine Zweigstelle mehr für alle wesentlichen Rechtsangelegenheiten zuständig. Miet- und Verkehrsangelegenheiten können außer in Bergen nirgendwo mehr vorgebracht werden. Zum anderen stehen die Zweigstellen rechtlich auf tönernen Füßen: Denn das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat die zwei Paragraphen, die die örtliche und sachliche Zuständigkeit in der Zweigstellen-Verordnung M-V regeln, schon am 2. Juni 2015 für unwirksam erklärt (AZ: 2 K 13/15).

Folge der Gerichtsschließungen ist ein Rückzug des Rechts aus der Fläche - und damit eine Schwächung des Wirtschaftsstandorts Mecklenburg-Vorpommern. Denn nach der Schließung der Gerichte werden auch die Anwälte sich irgendwann nicht mehr in der Fläche halten können. Die Bevölkerung steht dann alleine da in riesigen "Zweigstellen-Gebieten", die teils größer als das Saarland sind. Rechtsanwalt Stefan Graßhoff, Präsident der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern sieht damit die Rechtssuchenden gegenüber dem bisherigen Zustand deutlich im Nachteil.

"Gehen Sie zum Volksentscheid, trotz der langen Wege, und geben Sie Ihre Stimme ab", riet Rechtsanwalt Schellenberg abschließend.

Hintergrund dieses ersten Volksentscheids in Mecklenburg-Vorpommern ist das von Ministerpräsident Erwin Sellering initiierte Justizstrukturreformgesetz: die dort angeordneten Gerichtsschließungen stoßen nicht nur bei Richtern und Anwälten, sondern auch bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Widerstand. Mehr als 120.000 Bürger haben sich diesem Widerstand angeschlossen. Es waren Richter und Anwälte, die zuerst die Volksinitiative zur bürgernahen Justiz und das Volksbegehren initiiert und nunmehr den Volksentscheid erzwungen haben.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 31/15 vom 25. August 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2015

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