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MELDUNG/387: Berliner Versammlungsbehörde will über Inhalte von Versammlungen bestimmen (RAV)


Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. - 06.08.2015

Berliner Versammlungsbehörde will über Inhalte von Versammlungen bestimmen


[Berlin] Am 08.08.2015 soll, wie jedes Jahr, die 'Hanfparade' in Berlin stattfinden, um für die Legalisierung von Hanf in all seinen Anwendungsmöglichkeiten zu demonstrieren. Die Versammlungsbehörde hat nun ein Verbot für »nicht themenbezogene« Informationsstände erlassen. Das heißt, die Behörde verbietet es dem Veranstalter, frei über seine Themen auf seiner Versammlung zu entscheiden.

Hintergrund ist ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 09.08.2013. Dort wurde ein Stand des Berliner Wassertisches auf der Hanfparade verboten, da er nicht »in erster Linie« dem Zweck der Hanf-Legalisierung diene. Nun befürchten die Veranstalter, dass die Polizei auf der diesjährigen Hanfparade jeden einzelnen Stand darauf kontrollieren wird, ob er »in erster Linie« die Legalisierung von Hanf thematisiert.

In einem demokratischen Rechtsstaat sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass allein die Versammlungsleitung über den Inhalt ihrer Versammlung bestimmen darf. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin und der vorliegende Auflagenbescheid stellen diese Selbstverständlichkeit erneut in Frage. »Das Verwaltungsgericht Berlin hat in seinem Beschluss aus 2013 leider den Grundsatz angewandt, 'Im Zweifel gegen die Versammlungsfreiheit' - nun trägt diese verfehlte Rechtsprechung Früchte«, so Rechtsanwalt Volker Gerloff, der die Hanfparade anwaltlich vertritt. Das Verwaltungsgericht Berlin wird am 07.08.2015 in nicht-öffentlicher Sitzung die Angelegenheit mit den Parteien erörtern. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird das Gericht entscheiden.

Wenn die hier versuchte Inhaltsprüfung Bestand hätte, müsste sich jede Versammlung ihren Hauptslogan sehr genau überlegen! Bei einer Demonstration unter dem Motto »Pressefreiheit schützen - mehr 'Landesverrat' wagen!« wäre bspw. eine Thematisierung der fehlenden Ermittlungen zur NSA-Überwachung verboten, da dieses Thema nicht »in erster Linie« dem Zweck der Versammlung dient; eine Anti-Kriegs-Demo dürfte nicht gleichzeitig Kapitalismuskritik üben, da dies aus Sicht der Behörde sicher nicht »in erster Linie« zum Thema Krieg passt usw.

Die Versammlungsfreiheit war und ist immer eine tragende Säule der Demokratie gewesen. Wenn sie das bleiben soll, muss der aktuellen Entwicklung zur zunehmenden Einschränkung dieser grundlegenden Freiheit entschieden entgegengewirkt werden.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 6. August 2015
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V.
Haus der Demokratie und Menschenrechte
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E-Mail: kontakt@rav.de
Internet: www.rav.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2015

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